Kreuzfahrer-Typologie

Natürlich sind auf kleinen Schiffen nur 1. nette, manchmal ein bisschen ältere Leute, die höflich und gutmütig mit dir das Restaurant, den Liegestuhl, das Rauschen des Meeres teilen…ein paar Typen fallen aber immer wieder auf und sind Anlass für diese kleine Typologie der Kreuzfahrer-Menschen. Natürlich ist alles furchtbar übertrieben und eigentlich gilt 1., aber manchmal…Sie werden in den Typebezeichnungen unschwer meine ungemein feinsinnigen Ableitungen erkennen: Der Mäki mäkelt gern mal herum, der Erzähli erzählt sehr viiel und schnell, der Muffi ist muffelig und maulfaul, der Egi ein mauliger Egozentriker. Der/Die Mäki (ach ja, ich erlaube mir das generische Maskulinum zu benutzen, der Mäki kann also männlich oder weiblich sein, Mäki*in wäre albern und Sie werden das schon schaffen, den Text ohne Sternchen o.ä. zu verstehen) Der Mäki findet an allem etwas Unpassendes, Ungehöriges, Verwirrendes und mäkelt dann. Opfer sind häufig Reiseleiter (Achtung Triggerwarnung: generisches Plural. Es gibt auch Reiseleiterinnen!), bei den Mitreisenden wird um Zustimmung geworben. Sind Sie nicht auch empört, dass so etwas als Panoramafahrt angeboten wurde? Wer sich nicht co-empört, wird geschnitten. Wenn man sich allerdings erstmal diesen Status der Ignoranz erarbeitet hat, lebt es sich ganz gut mit dem Mäki zusammen auf einem Schiff. Der Mäki führt, wenn er nicht allein reist, einen Mit-Mäki bei sich, der vielleicht einmal Widerstand geleistet hat, aber ruhiger lebt, wenn er den Mäki durch Grunzen, Nicken etc. verhalten unterstützt, gelegentlich aber auch in die aktive Rolle geht. Das versteht er dann als Unterstützungsaktion und das Empörungspotential wird dadurch gesteigert. Manchmal gibt es dann eine Mäki-Kettenreaktion. Armer Reiseleiter! Der darf ja niemals! Niemals! sagen, was er dazu denkt. So ein einfacher Text, wie ich ihn dann gerne denke (aber besser auch nicht sage) Haben Sie in der Angelegenheit schonmal Ihr Hirn eingesetzt? wäre Ende der Reiseleiterkarriere. Deswegen würde ich den Job auch nicht wählen könnte. Ich weiß genau, meistens kann ich über den Mäki schmunzeln, aber er sollte es auch nicht übertreiben, dann kann ich für meine Texte nicht mehr zu hundert Prozent garantieren…. Der/ Die Erzähli Man erfährt das Leben des Erzählis innerhalb der ersten halben Stunde des Kennenlernens mit allen Schrecknissen, Details und Proud-of-Points (ich war schließlich 40 Jahre…) Milde Erzählis sind wir in dieser Situation alle, denn Selbstdarstellung spielt natürlich eine Rolle, wenn ich auf jede Menge unbekannte Menschen treffe. Aber: Der Erzähli in seiner Extremform führt zu verdeckten Fluchtbewegungen an den Restauranttischen, auf Deck und in den Bars. Er erzählt nämlich gnadenlos alles wieder und wieder, auch in den Einwand hinein, das habe er schon beim Frühstück, vorgestern….bei der letzten Reise … Der/Die Muffi Er/Sie knallt sich an den Tisch, ohne zu grüßen oder zu fragen, ob dort frei ist. Müffelt sein Frühstück/Abendessen wortlos in sich hinein, als bestünde die Gefahr, dass ihm einer das ergatterte Essen/Trinken wegnimmt. Verständlich, denn an Bord herrscht ja bekanntermaßen akuter Nahrungsmangel. Der/die Egi Der Egi sorgt immer gut für sich, bestenfalls noch für seine Begleitung. Er hat eingebaute Vorfahrt beim Ein- und Aussteigen aus Verkehrsmitteln. Am Büffet lässt man ihn am besten dezent und unauffällig vor, es kann sonst zu Verletzungen kommen. Oder noch schlimmer: zu anhaltendem Gemaule über das Verhalten der Leute im Allgemeinen und auf Schiffen im Besonderen. Der Egi hat alles schon einmal irgendwo und irgendwie besser erlebt und sieht den derzeitigen Veranstalter als dem Untergang geweiht an (Früher gab es drei Dips, heute nur noch einen, die stehen wohl kurz vor der Pleite). Die Übergänge vom Egi zum Mäki sind fließend.

Es ist verboten sich bügeln zu lassen – eine Hommage auf portugiesische Reiseleiterinnen

Wir hatten in der Mehrheit portugiesische Reiseleiterinnen, darum nehme ich jetzt mal den weiblichen Plural. Sie werden gut ausgebildet: 3 Jahre Universität mit einer robusten Grundbildung in Landeskunde, Geschichte und Geduld, das ganze garniert mit zwei Wahlsprachen. Die Kamikazefliegerinnen unter ihnen wählen Deutsch als eine davon, eine zu Recht als schwer verschriene Sprache. Kompliment! Die Kamikazefliegerinnen sind einfach toll, didaktisch geradezu genial. Woher ich das weiß: Beim Schreiben des Reiseberichts musste ich fast nichts nachschauen, weil mir offenbar die passenden Informationen in passender Wiederholung und in plausiblen Zusammenhängen beigebogen worden sind. Darauf könnte sich so mancher Lehrer etwas einbilden und sich eine Scheibe bei den Damen abschneiden. (na gedanklich!) Und bitte, liebe später mit ihnen Reisende: Gewöhnt ihnen nicht ihre wunderbaren Sprachmacken ab! Das ist soo schön! Erheischen ist ein in Deutschland verschwundenes Wort, das dankenswerter Weise portugiesische Sprachlehrer am Leben erhalten. Alle sagten das: Jetzt erheischen wir…Das ist einfach hundertmal charmanter als so etwas Banales wie: Wir kommen jetzt nach… Niemand kann gebügelt werden heißt offenbar so viel wie: nicht verunfallen. Ich finde das viel anschulicher. Außerdem sind sie philosophisch veranlagt: Seit ich mich kenne (wer kann das schon von sich sagen) oder: seitdem ich weiß, wer ich bin…oder: man darf die Gäste ja nicht für doof erklären! oder: schmeckt so gut wie geklaut! Schön auch: Die Verrückten verstehen auch nicht, warum sie sind verrückt! Stimmt doch einfach! Oder: Alle Sportarten wie Rudeln! Was man sich unter Rudeln alles Tolles vorstellen mag! Schön auch ein kleiner Wutanfall über einen untätigen Bürgermeister: Er fliegt mit dem Wind, wechselt die Partei und bleibt Bürgermeister! Danke, liebe Reiseleiterinnen, ihr wart das Salz in der Suppe dieses wunderbaren Landes! Bitte macht ganz genauso weiter. Ich fand auch toll, dass ihr zum Teil so mutig wart, Persönliches über die Lebenssituation eurer Familien zu erzählen. Danke!  

Jacinda Ardern, Christine Lambrecht und John Key

Ein Text zum Thema Emanzipation (wer von wem oder was auch immer), geschrieben in Neuseeland, Januar 2023 Mit dem Abtreten unserer Bundesverteidigungsministerin, während wir in Neuseeland waren, sah ich einen Gleichstand des Verfahrens bei Unfähigkeit sowohl männlicher als auch weiblicher Politiker*innen erreicht. Das ominöse Silvester-Video konnten wir zwar nicht sehen, das gab das lahme Schiffs-WiFi nicht her. Aber ich meine das so: Politikerinnen haben in der Form Gleichberechtigung erreicht, dass sie bei Unfähigkeit genauso zögerlich und unter peinlichen Umständen abtreten wie ihre männlichen Kollegen. Wenn man das für eine Errungenschaft halten möchte… Besser wäre vielleicht, einmal etwas intensiver – oder überhaupt – über das Besetzungs-Proporz-Prinzip in der Übertragung von Ämtern nachzudenken. Wie wär’s mit Kompetenzprofilen und Sachdiskussionen aus der Abteilung: „Wer kann das denn wohl am besten?“, liebe Politiker*innen? So würde man doch wohl eher der Schuldigkeit gerecht, einen so brisanten Posten in so brisanten Zeiten kompetent besetzen zu müssen! Das Spiel Männchen-Weibchen, Nord-Süd, rechts-links…wird dieser Verantwortung nicht gerecht! Und nun höre ich von den Plänen Jacinda Arderns, ihren Oktober 2017 schwanger (Respekt! Respekt!) angetretenen Job als 40. Premierminister*in Neuseelands am 7. Februar aufzugeben. Reaktion? Nichts von dem Gemäkel und Gespött, das Christine Lambrecht wochenlang um die Ohren bekam… Im Gegenteil: Eine Welle von öffentlicher Sympathiebekundung, Bewunderung und Nachdenkens über die Familienunfreundlichkeit solcher Ämter. Das ist erst einmal gut so und meine Bewunderung gilt dieser Frau, die gezeigt hat, dass Frauen Premierministerin können, anders können, auch unter schwierigen Bedingungen – und die hatte sie. Nicht nur Corona… Und doch: Sprachen wir von Gleichberechtigung beim Versagen, beim Beenden? Schauen wir mal auf die andere Seite der Medaille: Ein vormaliger Premier Neuseelands ist 2016 mit den Worten „ich habe nichts mehr im Tank“ abgetreten. Reaktion? Erstaunen und ein gewisses Misstrauen, ob er vielleicht eine Affäre oder einen Skandal vertuschen musste! Gleichberechtigung ist, wenn niemand privilegiert wird. Zugegeben: Man denkt an die vielen unsäglichen Rücktrittsgeschichten von Politikern, die über die Kante geschubst werden mussten, die vernebelt, vertuscht und gelogen haben. Oder eben ihre Unfähigkeit besser tarnen konnten als manche Frau? Gleichstand? Nein, noch nicht! Ardern sagte: „Es ist Zeit. Ich habe nicht mehr genug im Tank,“ und löste damit einen Sturm der Sympathie aus. Aber nicht alle Neuseeländer sehen sie als die nun gepriesene Lichtgestalt. Ihre Corona-Maßnahmen waren gnadenlos, so dass Menschen sogar dann die Einreise verweigert wurde, wenn sie sterbenskranke Angehörige besuchen wollten. Da gab es schlimme Geschichten im Hintergrund. Vor unserer Reise lasen wir über Ureinwohner (Maori) und Zuwanderer Neuseeland. Da die Holländer nicht auseichend interessiert waren bei ihrer Entdeckung des Landes, waren das die Engländer. Offiziell ist zwar Charles III. Oberhaupt im Königreich Neuseeland, seine Bedeutung für das Land ist aber eher repräsentativ. Angeblich gibt es kaum ein Land, in dem die Integration beider Gruppen so gut gelungen ist. Das wollten unsere neuen neuseeländischen Freunde Christy und Robert nicht unbedingt so teilen. Ardern führte zwar Matariki, das Neujahrsfest der Maori, als offiziellen Feiertag in Neuseeland ein, aber ein vollmundig proklamiertes Bauprogramm scheiterte kläglich (nur 258 der 100 000 für 10 Jahre angekündigten Häuser wurden gebaut). Die Maori leben zum Teil in verschimmelten kleinen Häuschen, die gesundheitsgefährdend sind. Gleichberechtigung herrscht, wenn auch solche kritischen Dinge geäußert werden, auch gegenüber einer sehr sympathischen jungen Mutter und nicht nur gegenüber alten weißen Männern!

Kunst von Charly Monecke

Leute, kauft Kunst! (für Bilder und Struktur den Titel anklicken) Die Ausstellung in der Kunsthalle Lingen ist vorbei, aber das Buch über Charly Monecke gibt es weiterhin bei Blanke, Holzberg und in der Kunsthalle. Und: Es gibt im Besitz der Erbengemeinschaft noch eine ganze Menge Bilder, die wir gerne verkaufen wollen, denn: „Ein Bild lebt nur durch den Menschen, der es betrachtet“ (Picasso) Archivierung von Bildern ist irgendwie frustrierend und wir meinen, dass sie an eine Wand gehören. Haben Sie Geld gespart, weil Sie durch Corono nicht in Urlaub konnten? Die reiche Erbtante gestorben ist? Dazu: Geld auf der Bank nicht nur nichts bringt, sondern auch noch Strafzinsen (pardon!: Verwahrentgeld) kostet? Dann gönnen Sie sich doch Lebensqualität, Kunst zum Beispiel! Alle Bilder hier und viele in dem Buch „Die Kunst“ sind käuflich zu erwerben. Kontakt zur Nachlassverwalterin (das bin ich: momo!): momo@momos-memos.de Charly Monecke, Die Kunst, Werkschau eines schöpferischen Lebens, Edition Virgines, ISBN 978-3-948229-27-6, Preis 24,50 € Ein Werkbuch mit 116 Abbildungen, 4 Textbeiträgen (Meike Behm, Irmgard Monecke, Heiner Schepers und Hajo Wiese) auf 112 Seiten. Hochwertiger Druck auf schwerem Papier, 24,50 €, Herausgeber:  Irmgard Monecke und Hans-Georg Krupp, Layout und Produktion: Markus Monecke   Mehr Bilder von Charly Monecke (zum Vergrößern bitte anklicken):  

Gedanken zur Zeit

  Oktober 2021 Jetzt aber doch mal im Ernst. Ein Aufruf zum Leben in der Lingener Innenstadt, der lustig anfängt und mit einem sehr ernsten Appell endet. In der Nacht von Samstag auf Sonntag, endlich war ich wegen gelungener Selbsthypnose trotz größten Getöses, wie eigentlich immer am Wochenende in der Lingener Innenstadt, ein wenig eingeschlafen, da weckte mich ein lauter Trompetenstoß (oder der eines anderweitigen BLASinstrumentes) und die folgend ebenfalls sehr laut zu hörende Liedzeile: Deine Freundin die kann blasen, die kann blasen, blasen, blasen…deine…. (3 Wiederholungen), die mich um genau 2.02 Uhr mordmäßig wach und mordmäßig wütend machte. An die fortgesetzte Körperverletzung durch nächtliches Getöse vom Skaterplatz oder vom Schulhof gegenüber haben wir uns ja schon ein bisschen gewöhnt, aber jetzt auch noch durch fortgesetzte Geschmacklosigkeit aus dem Schlaf gerissen zu werden …kein Gedanke mehr an Schlaf… Anderntags ging mir die blöde Liedzeile nicht aus dem Kopf und ich schaute nach: Deine Freundin die kann Blasen Die kann Blasen, Blasen, Blasen Die kann Blasen, Blasen, Blasen An den Füßen nicht ertragen Gut, ich musste ganz schön grinsen…reingefallen halt im Halbschlaf. Aber im Ernst: Muss ich als Anwohnerin der Lingener Innenstadt diesen und anderen Blödsinn an jedem Wochenende ertragen? Das Getöse vom Skaterplatz fängt so oft wieder an, wie die Polizei wieder abrückt. Ich rufe schon meist gar nicht mehr an. Bei Regen wird unter dem Vordach der Grundschule gegenüber gekifft, gesoffen und herumgeschrien, dass es keine Chance auf Schlaf gibt. Die Frage, die sich mir allmählich ganz dringend stellt, ist die: Gibt es ein Menschenrecht auf Nachtschlaf, auf den eigenen Parkplatz und auf die Unversehrtheit der eigenen Person in der Lingener Innenstadt? Die Parkschlange der Grundschultaxieltern, die unter unserem Schlafzimmerfenstern mit laufendem Motor auf dem Gehsteig wartet, ist wirklich nötig? Muss ich mich anscheißen lassen, wenn ich meinen eigenen Parkplatz benutzen möchte? Vor einiger Zeit habe ich einmal höflich gebeten, nicht ständig auf dem Gehsteig zu stehen und wurde prompt bedroht von einem erregten Vater, der schöne Worte für mich hatte. Ich will hier von den Erfahrungen der Nachbarinnen gar nicht reden, das würde viel zu lang. Und ich bleibe bei mir als Person: Jede*r, der mich kennt, weiß, dass ich ganz besonders viel für Kinder und Jugendliche übrighabe. Sie sind nicht schuld, wenn ihre Eltern zu faul sind, ein paar Meter zu gehen und dafür sogar die Gefährdung anderer Kinder in Kauf nehmen (die auf dem Gehweg zwischen den Autos herumlavieren müssen). Sie sind auch nicht schuld, wenn der Skaterplatz eigentlich um 20 Uhr (da stand mal ein Schild) geschlossen werden sollte, sich aber keiner (außer den jeweils pflichtschuldigst nach Anwohnertelefonat vorbeikommenden bedauernswerten Polzist*innen) darum kümmert. Regeln funktionieren nur dann, wenn sie durchsetzbar sind, Zusammenleben nur dann, wenn es Möglichkeiten gibt für alle, unbeschadet und in Würde zu leben. Und dafür, dass das einigermaßen funktioniert, sehe ich definitiv die Lingener Politiker in der Pflicht. Schafft die Voraussetzungen dafür, dass die Lingener Innenstadt bewohnbar wird! Juni 2021 Ohrgewürm Kennen sie das: Plopp, geht im Kopf ein Lied auf und wird dedudelt, immer wieder und wieder? Mein schlimmster Ohrwurm: Nach der Wende fuhren wir im Speckgürtel von Berlin des öfteren zu Hellwegs Profi-Baumarkt, der mir zum Amüsement meines Gatten mit einem ständig sich wiederholenden Kopf-Jingle noch Tage nach dem Besuch dieses Heimwerkerparadieses mein Leben versüßte. Während des Einkaufes von Schraube, Holz und Zement ertönte in besagtem Baumarkt in recht kurzen Abständen (singen Sie mit!) Hell (mit starker Betonung auf Hell) wigs Profi-Baumarkt ta ta ta ta …düdel düdel. Ich will das hier gar nicht so genau aufschreiben, weil ich’s dann wieder 3 Tage nicht loswerde. Im Moment nun ist es Peter Maffey mit Sieben Brücken, ja, über die man gehen muss, dann siebenmal die Asche aber einmal auch der häääle Schain! Wo kommt das bloß her? Auf NDR-Kultur haben sie es sicherlich nicht gespielt, freiwillig würde ich es auch sonst nicht hören, aber es muss vor einigen Tagen von irgendwo fies in mein Ohr gekrochen sein. Es tönt schon, wenn ich aufstehe. Am schlimmsten ist die immer wiederkehrende Schlaufe von manchmal wünsch ich mir mein Schaukelpferd zurück. Ich kann es mir nur so erklären: Es lief auf NDR 1, als ich bei der Fußfee saß. Da läuft immer NDR 1 und ich amüsiere mich über die Lieder meiner Jugend. Ich habe es wohl nicht bewusst wahrgenommen, aber nur dort kann es in meinen Gehörgang gekrochen sein. Nichts gegen diesen Song, ist ursprünglich Karat-DDR-Ware, von Peter 1980 dem Westen angedient. Aber eigentlich ist es keine Musik, die ich freiwillig höre – und nun höre ich sie ständig. Nach meiner Erfahrung werde ich die nur wieder los, indem ich einen noch schlimmeren Ohrwurm für eine Zeit zulasse. Da die Firma Hellweg (tatatata…) dankenswerter Weise von der akustischen Folter zurückgetreten ist (und der Hersteller des Jingles ja sicherlich schon länger einsitzt), da die Weihnachtsjingles noch etwas auf sich warten lassen: Weiß jemand einen möglichst blöden und kurzen Song, den er mir vorsingen könnte? So drei- bis viermal? Er hätte bestimmt auch selbst etwas davon! 11. April 2021 Vom Eise befreit…   Also, dieses Frühjahr lässt sich etwas schwer an. Schnee an Ostern, Politiker, die sich nicht entscheiden können, der nächste Lockdown, aber wenig Impfstoff in Sicht und beim Impfen auch keine beeindruckende Geschwindigkeit. Immerhin prophezeit uns Martenstein heute im Tagesspiegel (Tagesspiegel vom 11.04.2021), Deutschland könne doch beim Produktionstempo von Infektionsschutzgesetzverschärfungen (so ein Wort gebiert nur das Deutsche!) und bei den Brotsorten Weltspitze sein. Schwacher Trost! Wenn wir schon nicht ordentlich regiert werden, dann haben wir doch unsere Bildung! Dochdoch! Hier der Beweis: Am Samstag vor Ostern saß ein Gast (Benno) auf unserem Balkon und deklamierte als Dank für eine frühlingshafte Dienstleistung meines Gatten (Oldenburger Spaten schärfen und Stiel in Vorschlaghammer hammern) den Osterspaziergang (Faust I). Also nicht nur die ersten Verse, die kann ja jede, nein das ganze Gerät. Wir staunen. So ist der gute Goethen mir mal wieder in Erinnerung gekommen. Wie aktuell doch dieser Text ist: Osterspaziergang Vom Eise befreit sind Strom und Bäche / Durch des Frühlings holden, belebenden Blick; na ja, am Samstag stimmte das noch / Im Tale grünet Hoffnungsglück;/ Der alte Winter, in seiner Schwäche, / Zog sich in raue Berge zurück./ Von dorther sendet er, fliehend, nur / Ohnmächtige Schauer körnigen Eises/nene, am Ostermontag hat es ganz schön geschneit/ In Streifen über die grünende Flur;/Aber die Sonne duldet kein Weißes,/na, es war doch ganz und gar weiß im Emsland/Überall regt sich Bildung und Streben, Ach ja, Schule auf, Schule zu, was denn nu? / Alles will sie mit Farben beleben;/ Doch an Blumen fehlt’ s im Revier, die Blumenläden durften doch grad wieder öffnen / Sie nimmt geputzte Menschen dafür./Kehre dich um, von diesen Höhen/Nach der Stadt zurückzusehen./Aus dem hohlen, finstern Tor/Dringt ein buntes Gewimmel hervor. Dass Goethe das schon 1806 vorhergesehen hat, Lockdownende etwa? Jeder sonnt sich heute so gern. /Sie feiern die Auferstehung des Herrn, /Diesen platten Vers hatte ich glatt verdrängt Denn sie sind selber auferstanden, /Aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern, /Aus Handwerks- und Gewerbesbanden, /Aus dem Druck von Giebeln und Dächern, /Aus der Straßen quetschender Enge, /Aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht/Sind sie alle ans Licht gebracht. Kirche ist ja grad auch ziemlich schwierig und sowieso… Sieh nur, sieh! wie behänd sich die Menge/Durch die Gärten und Felder zerschlägt, /Wie der Fluss in Breit‘ und Länge/So manchen lustigen Nachen bewegt, uiuiui, zerschlägt auf bewegt, er hat definitiv gesächselt/Und bis zum Sinken überladen/Entfernt sich dieser letzte Kahn. /Selbst von des Berges fernen Pfaden/Blinken uns farbige Kleider an. Ich höre schon des Dorfs Getümmel; Hier ist des Volkes wahrer Himmel, ach Goethe! Zufrieden jauchzet Groß und Klein: Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein! Na gut denn also! Dass das so oft missbraucht wurde, dafür kann Goethe ja nichts… Danke, lieber Benno für die Osterbildung – nachgereicht. Wenn sonst schon nix klappt…. 25. Februar 2021 Liebe Leser*innen, Leserinnen! Zwei Sätze (oder auch drei, denn ich bin ein bisschen wütend) noch zum Gendersternchen (s.u. 15.1.), weil ich nun doch schon mal drauf angesprochen werde. Zum Mitdenken: Ich bin seit den 70er Jahren eine Verfechterin gendergerechter Sprache, habe mich einige Zeit Luise M. Pusch (dazu ein informatives kurzes Video) angeschlossen und feminin gegendert. Gibt natürlich ordentlich Missverständnisse („Wie? Nur Lehrerinnen angemeldet?“), schöne Gesprächsanlässe („Hätten Sie auch nachgefragt bei 20 angemeldeten Lehrern, warum gar keine Frauen dabei sind…? „Nö, Wieso?“), dann habe ich eine Lösung für mich gefunden, mit der meine soziale Umwelt nach einiger Zeit ganz gut umgehen konnte: An ungeraden Tagen weiblich gegenderter Plural (Schülerinnen), an geraden männlich (Schüler). – Punkt, klappt ganz gut, gibt manchmal auch noch schöne Gesprächsanlässe. Ansonsten am liebsten Plurale ohne Geschlechtsmerkmale (die Lehrpersonen). Dann kam das Sternle und ich habe mich zwecks öffentlicher Sprache (und Schreibe) überreden lassen, mit Sternchen zu gendern. Ich bereue bitter! Das zerhaut Texte, das hilft niemander und niemandem, das ändert nichts an den Realitäten! Nach wie vor werden Frauen in unserer Kultur weniger gesehen, schlechter bezahlt und familär stärker belastet. Dieses affige Sternchen ist in meinen Augen nichts anderes als ein Nebenschauplatz einer gesellschaftlichen Ungerechtigkeit, auf dem Gutmenschen sich ein bisschen tummeln dürfen, Frauen sich ein bisschen besser wahrgenommen fühlen können (echt jetzt, hilft das!?) und dann haben wir schon etwas zu tun, was von den eigentlichen Problemen ablenkt. Das als Schluckauf auch noch gesprochene Gendersternchen hat mich zudem endgültig in die Flucht geschlagen! Ich verlasse diesen „geschlechtergerechten“ Nebenschauplatz nun wieder. Ich mache auch keinen : und Inne auch nicht und stelle nur ab und zu sicher, dass meine Leserinnen (Liebe Leser: heute ist ein ungerader Tag! Das schaffen auch Männer, sich in diesem Plural wiederzufinden!) mich verstehen. Alles klar jetzt?! 24. Februar 2021 Die Post und der Lift Also gut…kein Wort über C. Sie sind das Leid, ich bin das Leid…aber manchmal gibt’s auch komische Sachen. Heute Morgen klingelt die Post, also eine von diesen Nachfolgeorganisationen unserer guten alten staatlichen Post, wo man … also es klingelt natürlich ein Mensch, der einen Auftrag zum Klingeln bei mir hat, weil ich wegen C. etwas bestellen musste, was ich wirklich brauche, aber normalerweise nie … niemals! bestellt, sondern geholt hätte. Da wir ganz oben wohnen und kontaktlose Übergabe in diesen Zeiten (hab nix mit C. geschrieben!) sinnvoll ist, haben wir die Liftmethode erfunden: Es klingelt ein Bediensteter (24.2., wenn sie nicht verstehen, warum hier männlich gegendert wird: zum 15. Januar herunterscrollen) besagter Zustellorganisationen. Er ruft Paket oder im Zweifelsfall die Post oder eine Päckchen oder große Paket! Unsere anfänglichen Versuche mit einem höflich verklausulierten: Würden Sie das dann bitte in den Lift legen? Ich nehme es oben heraus enden mit Schweigen am anderen Ende, dann einem gepressten Jo und das Paket liegt dann sonstwo, im Schnee vor der Haustür, vor der Tür der Nachbarin…wurde wieder mitgenommen… Meine Blitzidee: Es muss an dem unbekannten Wort Lift liegen. Ist ja auch komisch, lift-up, liften als Gesichtsstraffung. Der nächste Versuch dann also: Können sie das Paket bitte in den Fahrstuhl legen? Was ich nicht gesehen habe, unsere wohlbekannte Zustellerin steht unten und sagt etwas pikiert: Ja klar, wie immer, ich drück auf den obersten Knopf. Und: schönen Tag noch! Ich freu mich: Ihnen auch und danke für den Service! Der nächste ist ein indisch aussehender Zusteller, der trotz bitte in den Fahrstuhl oder ist es schwer, dann komm ich runter mit Jo antwortet und eine schwere Weinkiste, die unten bleiben soll, schon eine Treppe hochgeschleppt hat, bis ich ihn von weiteren Taten abhalten kann. Der Mann tut mir Leid, ich gebe ihm etwas Geld und erkläre: wenn Paket schwer, unten lassen und ärgere mich über meine blöde Erklärungssprache. Erinnert mich an diese platte gönnerhafte Gastarbeiteransprache (was für ein Wort!) der 60er Jahre. (Ach ja: Wenn sie dazu etwas wirklich Authentisches lesen wollen: Mely Kiyak, Frausein, München (Hanser), 2020, 18 €) Grammatikalisch einfach, brummle ich beim Weinverstauen vor mich hin, muss nicht wie Idiotensprache klingen und bin mir selbst etwas böse. Heutiger Versuch nun: Eine Paket! –  Ja danke, ist das schwer? –  Schweigen. – Großes Paket? –  Schweigen.- Legen Sie’s in den Fahrstuhl? (langsam und deutlich sprechen!) – welche Stuhl? Also doch besser wieder Lift? 31. Januar 2021 Liebe Leserinnen! (um zu verstehen, dass damit auch Männer gemeint sind, müssen Sie den unten stehenden Beitrag vom 15.1.21 lesen. Keine _ mehr, keine * oder Innen. Ich habe abgeschworen aus feminstischer Sicht!) Luftbaden am Kanal Das  traum-schöne Winterwetter hat heute ganz viele Menschen vor die Tür gelockt. Überhaupt scheint es auch ein paar Tugenden zu geben, die Corona lockt. Draußen tummelt sich ein ganzer Volkssturm von Spaziergängern. Wenn man sich an die halb-vermaulten Familien-Sonntagsspaziergänge erinnert, die in unseren Kindertagen noch manchmal üblich waren, eindeutig eine andere Qualität. Ich hab genau geguckt: Die meisten haben nicht verkniffen, sondern ganz vergnügt geschaut. Das sollte man sich auf der Zunge zergehen lassen: Da müssen Psychologen sich findige Tricks ausdenken (Waldbaden, ha!), damit die Menschen überhaupt nochmal den Allerwertesten vor die Tür bewegen, dann kommt so ein kleines Eingesperrtsein (also gut, so richtig lustig ist das nicht!) und schon rennen alle los. Die Wege am Kanal sind zum Teil so belebt wie Straßen…na ja, da ist weniger los im Moment. Vielleicht ist das ja so eine Tugend – ich schlage vor Luftbaden (Spazierengehen ist irgendwie versaut), die ein bisschen zurück bleibt. Wäre doch schön. 15. Januar 2021 Bescheidener Vorschlag zum Schutze der Schreibenden vor dem * (eine Polemik) Oder: Warum Sie das * hier zum letzten Mal sehen! Sie haben auch schon bei mir gesehen, obwohl ich mich mein Leben lang (und das ist schon ganz schön lang!) gegen affiges Rumgegendere gewehrt habe. Gleichzeitig ärgerlich aber auch immer wieder die Tatsache, dass Frauen mit in das generische Maskulinum hineingebuttert werden, also Ärztinnen ein kümmerliches Dasein als die Ärzte führen müssen. Die echten Aufreger für Luise F. Pusch („die Periode ist bei jedem anders“, in einer Tamponbenutzerinnenbeilage) sieht man nur noch selten, aber das allgemeine Herumgegendere mit Unterstrich, Doppelpunkt, Sternchen geht mir beim Schreiben schon ziemlich auf den Zwirn. Besonders wenn dann im Kasus angepasst werden muss („der/dem glücklichen Lehrer*in einer/eines klugen Schüler*in) zerhackt es mir den Text in einer Weise, dass ich nicht mehr weiterschreiben mag. Die Lösung des Online-Dudens, alle Bedeutungen anzupassen (die Lehrer = männliche Lehrpersonen) entspricht nicht (oder vielleicht noch nicht?) dem tatsächlichen Gebrauch. Und was soll der Duden eigentlich? Sprache beschreiben und dokumentieren! Es hat mich beim Korrigieren oft geschüttelt, wenn ich feststellen musste: Der/die Schüler*in darf das neuerdings so schreiben, auch wenn dir dabei zehnmal die Fußnägel hochklappen. Die Logik war und ist die: Wenn eine Vielzahl von Menschen in unserer Kultur das so schreibt, dann sanktioniert der Duden nach einer gewissen Zeit diese Schreibung als zulässig. Nun aber die Abschaffung des generischen Plurals? Im Vorgriff auf eine Entwicklung? Dann bin ich dafür, dass endlich die logisch schlüssigen Vorschläge zur Rechtschreibreform vom Duden sukzessive durchgesetzt werden. Tatsächlich, da gab es mal logisch nachvollziehbare Regelvorschläge, die den Schüler*innen (und Lehrer*innen das Leb*innenJ leichter gemacht hätten). Übrig geblieben davon ist das ss nach kurzem Vokal und das ß nach langem, tatsächlich -außer bei Eigennahmen- ohne Ausnahme – und vorausgesetzt Sie besitzen ein Keyboard mit gr., also deutscher Tastatur. Alles andere hat Bürokratismus und Rumdiskutiererei quasi wieder zunichte gemacht. Allerdings: Die Kommasetzung zum Beispiel beim Erweiterten Infinitiv ist etwas einfacher geworden, man darf tatsächlich auch sinnstrukturierend den Beistrich setzten. Wie schön, das war nämlich der ursprüngliche Sinn der Kommata! (Und ich brauche meinen armen Schüler*innen nicht mehr beibringen, dass der Nicht Erweiterte Infinitiv nicht abgetrennt wird, es sei denn!!, ein hinweisendes es, daran, darauf, dazu steht davor. Ist doch ganz einfach, oder?). Bekloppte Regelungswut, die geeignet war und ist, jungen Menschen die Lust am Schreiben zu versauen! An der Vereinfachung solcher deutschen Regelungswut könnte sich die Dudenredaktion mal beteiligen statt 12 000! neue irrelevante Inhaltsbeschreibungen aufzunehmen. (Rektoren = männliche Personen, die zum Beispiel eine Grundschule leiten mit lauter Lehrern, die weiblich sind?!) Schon: Der Ärger über den generischen Plural begleitet mich seit mindestens 1970 (da fing ich an, allgemeine Sprachwissenschaften zu studieren), aber auch der Ärger über sprachzerhackende, ja was hatten wir denn da so im Laufe der Jahre: LehrerInnen, Lehrer(innen), Lehrer/innen, Lehrer_innen, Lehrer:innen, Lehrer*innen…Wissen Sie, was ich noch am tollsten finde: Einige Sprecher*innen habe es neuerdings drauf, so zu reden, dass sie/er/es/div. das St*ernchen als Leerstelle mitsprechen. Glottal stop nennt man das oder Nullmorphem, gekennzeichnet dadurch, dass dort kurz nix ist. Also zum Beispiel: Künzels(nix)au ist etwas anderes als Künzelsau. Also gut: die Duden-Leute kümmern sich um die in den männlichen Pluralen verpulten Frauen, die Linguisten sind darüber mäßig begeistert, weil Otto und Ottilie Normalverbrauer das eher nicht tut. Meine Lösung dieses Problems ist seit 30 Jahren diese: An geraden Tagen benutzte ich den männlichen, an ungeraden den weiblichen Plural. Also: Zum Beispiel am 14.Januar gibt es die Lehrer (bei denen Lehrerinnen mitgedacht werden müssen) und am 15. Januar die Lehrerinnen (zu denen oft auch Lehrer gehören). Der Sinn? Dieses kleine Stutzen, das bei Lehrerinnen in Ihrem Kopf auftritt (wie, nur Frauen im Kollegium?), bewirkt auf Dauer ein Bewusstsein in eben diesem, dass es eine sprachliche Sauerei ist, dass 20 Grundschullehrerinnen unter dem Begriff Lehrer unterschlupfen müssen, die Rektoren aber niemals unter die Rektorinnen gerechnet würden. So umgehe ich beide Kalamitäten: die immer männlich gegenderten Plurale und das Rumgeeiere mit den Sternchen, das mir die Texte zerschießt. 25. Dezember 2020: Weihnachtsspaziergang am Kanal Alle sagen freundlich: „Frohe Weihnachten!“ Dabei strahlt der Himmel ganz ungetrübt blau und der Wasserturm schaut überall heraus. Dann sag ich auch mal: Frohe Weinachten! Neu: Lesetipp Nr. 20 3. Dezember 2020: Die Kerze Nummer vier! Diesmal kommt die rechte Weihnachtsstimmung nicht so wirklich auf. Was ist den nun besser:  Konsumgerangel,  sentimentales Gedöns, Geschubse in der Parfümerie am 24. Dezember? Darüber wurde ja auch ganz schön gemeckert, über die endlose Folge von Weihnachtsfeiern, das Ich-muss-zu-Oma-fahren und SOS-Geschenke (Socken, Oberhemd, Schlips). Was wollen wir denn nun? Jetzt ist es endlich mal viel ruhiger, keiner muss zu Oma..hoppla aber viele würden gerne…keiner Glühwein bis zum Umfallen auf dem Weihnachtsmarkt trinken…oder doch gerne? Und Weihnachtsgottesdienste? Letzte Woche war ich in der Kirche, weil an Totensonntag die Toten des Jahres abgekanzelt (so schöne Worte hat nur das Deutsche!) wurden. Eine traurige kleine Gemeinde war da zusammengekommen. Der Pfarrer im Kampf mit seiner Maske und und mit schnalzenden Gummihandschuhen, trotzdem irgendwie tröstlich. Für jeden Toten der Gemeinde wird eine Kerze entzündet. Unser Bruder ist die Kerze Nr. 4. Was daran tröstlich ist, kann ich gar nicht einmal sagen. Vielleicht ein Gefühl von Solidarität in der gemeinsamen Erinnerung… So könnte es ja Weihnachten auch sein -mit Kerze Nummer 4 – in kleinen Gruppen. Dieser zweite Lockdown polarisert ganz schön. Die, die vorher böse waren, sind es nun umso mehr, die traurig und einsam waren, ebenfalls. Nähe gibt es aber nicht nur körperlich. Wenn Sie nun  so viel Zeit haben, weil das Einkaufen nicht so wichtig ist: Wann haben Sie denn die letzte Karte, den letzten Brief (ich meine nicht die weitergereichten WhatsApp-Weihnachtsschmarren…) an Tante Eulalia geschrieben? Wer bekommt ein Päckchen von Ihnen? Wer einen Anruf in regelmäßigen Abständen? Das machen jetzt viele, aber viele sind auch müde geworden und wirken verhalten. Machen wir uns auf die Suche, nach gedanklicher Nähe! Nächstes Jahr meinetwegen wieder Glühwein, wenn wir den dann noch mögen…oder rosa Glitter! Nachtrag 4. November 2020 Woher kommt eigentlich der blöde Spruch Schlimmer geht’s nimmer? Doch, doch geht!, sage ich heute. Als der Tagesspiegel heute früh postet: Trump erklärt sich zum Wahlsieger, ist mir schonmal die Petersilie verhagelt. Dann streiten sich in der Lingener Tagespost Schüler*innen und Lehrer*innen, ob sie die Maske im Unterricht abgenommen haben oder nicht und jetzt noch das Dollste des Tages. Da kommt der Gärtner Pötschke daher und schreibt auf das Kalenderblatt des 4. November: Wenn jeder, der sich dieses Jahr über Schnecken geärgert hat, heute um 20 Uhr alle Lampen ausknipsen würde, dann lägen weite Teile Deutschlands im Dunkel. Wenn jetzt die Schnecken-Geschädigten, die Trump-, Corona-Politik-Geschädigten, die Verfassungs-Besorgten und die abgenerven Schüler und Lehrer alle zusammen heute Abend…nicht auszudenken….Achten Sie mal auf heute Abend 20 Uhr! 3. November 2020 Heute passt irgendwie alles. Todestag unserer Mutter, Besuch im Wald, wo alle Bäume gefällt und kleingeknuspert sind (hoffentlich mitsamt dem Borkenkäfer).Herr Weil ermuntert DerWEIL meine Nachbarn, Regelverstöße zu melden, Heribert Prantl (Süddeutsche) findet, die Corona-Bekämpfung sei zu einem Überbietungswettbewerb geworden und ist nicht gut auf Söder und Lauterbach zu sprechen. Letzteren hat kürzlich die ZEIT SPD-Sirene genannt, sich dann aber halberlei wieder entschuldigt, weil er mit seinen Mist-Prognosen auch noch Recht hatte. Sogar Gunter Dueck ist heute geknickt, wie er im DD (https://www.omnisophie.com/realitioten-oder-kassandra-wird-ignoriert/) schreibt. Er will sich nicht mehr auf Twitter sagen lassen, er habe einen Beruf daraus gemacht, irgendwelche Untergänge vorauszusagen. Ein Wort im Titel: Realidioten, wird schon dafür sorgen, dass trotzdem wieder ordentlich emotional rumgeschäumt wird. Aber zur Kassandra möchte ich kurz anfügen, dass die ja sehr wohl wusste, dass sie nicht gehört werden würde. Also wurde sie immer ignoriert. Da gibt`s also grad nichts zu klagen, Herr Dueck! Was aber dieser seit vielen Jahren im DD (Daily Dueck) veröffentlicht (danke für die vielen guten Gedanken, die ich dadurch haben konnte!) ist zumindest in vielen Köpfen angekommen. Jetzt (besonders jetzt!) könnte man geneigt sein, den Vorrat von Vernunft auf der Welt doch für recht begrenzt zu halten. Die einen schreien „alles Unsinn, übertriebene Maßnahmen“, die anderen „alles noch viel schlimmer“. Ordentlich Geld hat uns die Chose auch schon gekostet. Da schaut Gunter Dueck zu Recht auf seinen kleinen Enkel. Der wird’s richten müssen. Ich bin weit weg davon zu sagen: gut, dass wir schon so alt sind. Aber das Privileg, nicht Künstler, nicht Kleinunternehmer zu sein, sondern Pensionärin, schlägt mir grad schon etwas aufs Gemüt. Während ich hier gelassen und brav den November zu Hause Mozart hörend auf dem Sofa verbringe, sind andere in echter Existenzangst. Klar, dass die Verschwörungserzählungen ins Kraut schießen, wenn ich keine rationale Erklärungsmöglichkeit für mein Scheitern mehr finde. Außer vielleicht: politische Willkür, Unfähigkeit, Selbstdarstellung…im schlimmeren Fall boshaft geplante Willkür der Mächtigen, der Großkonzerne, im schlimmsten Falle Leichen im Keller…Wer soll sich da und wie eine abgewogene demokratietaugliche Haltung zulegen? Ein bisschen von allem glauben? Der Hinweis auf die Zeiten der Pest ist schon angebracht, aber auch na ja…immerhin wissen wir mehr über Ansteckungswege. Dass sich damals junge Leute zu wilden Partys in verlassenen Häusern getroffen haben, das hatten wir ja auch – in Berlin und anderswo. Eine Reaktion auf die Irrationalität der Situation? Trotzreaktion? Die Realitätsverweigerer, die die Sau rausgelassen haben (DD) sind vermutlich überproportional am Infektionsgeschehen beteiligt, aber nicht an allen Folgeproblemen. Rationales, abgewogenes und ruhiges politisches Handeln wäre jetzt passend. Verhältnismäßigkeit! rufen jetzt nicht die Realitätsverweigerer, sondern viele, die Erklärungen wollen, die ihre Privatheit gefährdet sehen. Versperrt vielleicht das große Angstmachen gerade den Blick auch ganz vernünftig, also rational eingestellter Menschen? Oder macht sie mutlos? Sie können ruhig mal geknickt sein, Herr Dueck, aber nur heute! Ihre Mahnungen kamen immer argumentativ daher, manchmal mit Humor, gaben Anlass zum Nachdenken, einen anderen Blick auf die Welt…jetzt nicht hängen lassen! Sie wissen doch: Kassandra! Aber wir brauchen Sie trotzdem! Vielleicht haben Sie noch Lust auf was Albernes: (Teil 2 von: Hilfe, meine Uhr erzieht mich) Die Corona-Crackers finden Sie unter literary nightclub