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Das Mausa Vauban in Neuf-Brisach besuchen!

Gleich draußen begrüßen uns die blauen Indianer von Cranio (Brasilien). Dass es um den Kontrast von lateinamerikanischer Tradition und Problemen der gegenwärtigen Gesellschaft geht, ahnt der schlaue Besucher gleich beim Anblick der Mac-Donald-Tüte.

Und er/sie ahnt noch mehr: Wir sehen – auch gleich draußen – diesen Eierkopp (unten), der – kaum auf der Welt – sich schon die Augen zuhält. Mit so viel Witz ernste Dinge  dargestellt, das Versprechen auf Mehr wird in den kühlen Katakomben, die wir nun betreten, voll umfänglich erfüllt. Seit Banksy ist Street-Art populärer geworden, wird nicht mehr als „Straßenschmiererei“ abgetan. Der Kontrast zwischen der völlig dem Kapitalmarkt einverleibten „ernsthaften“ Kunst und urbaner Text- und Bildkunst ist unter anderem ja das Sich-Sperren gegen diese Vereinnahmung durch den Markt. Das Bild, das sich nach der Auktion selbst zerstört (Banksy), ist zum Sinnbild dafür geworden, dass dieser Widerstand zur erneuten Vereinnahmung führt. Das Exzeptionelle wird sofort zum neuen Kapital-Wert.

Die Umgebung des MAUSA Vauban sperrt sich erst einmal gegen diese Vereinnahmung. Zwar sind die Festungsanlagen von Vauban Teil der Welterbestätte, die wichtige Festungsbauwerke des französischen Baumeisters Sébastien Le Prestre de Vauban (1633–1707) zusammenfasst, aber die Mauern der Wälle sind in herzlich schlechtem Zustand, so dass keine besonders vornehme museale Atmosphäre entstehen kann. Es ist ein bisschen duster, es ist ein bisschen kühl, es ist absolut faszinierend!! – Hinfahren, das Elsass entdecken! Oder: Aus Freiburg ist es auch nicht viel mehr als ein Katzensprung!

Das MAUSA Vauban ist ein Museum für Urban Art und Street Art von fast 1200 qm, das 2018  in den UNESCO-Wällen (erbaut von Vauban zwischen 1698 und 1704) der historischen Festung von Neuf-Brisach eröffnet wurde. Es kommen immer wieder Künstler ins MAUSA, um vor den Augen der Besucher die Wände zu bemalen. Einer der Räume ist bei unserem Besuch abgesperrt und es riecht mächtig nach Farbe. Also ist ein neues Werk im Entstehen.

Vor unseren Augen verschwindet dieser Junge von Seth in der Wand.

Er hat wohl auch noch mehr Unheil angerichtet.

Wir bewegen uns durch eine unterirdische Wunderwelt von Motiven, Texten, Ermahnungen, witzigen Alltagsbetrachtungen, gedankenvollen Kontrasten…

Diese Ausstellung ändert Sehgewohnheiten. – Werden wir das Muster eines Pullovers, des U-Bahn-Sitzes jemals wieder nicht bemerken und würdigen können?

Josef Fords Strickfreundin Nina Dodd hat angemerkt, dass die Herstellung des Hundepullovers (unten) besonders schwierig gewesen sei. Dieses rote Modell nötigt mir aber auch allerhöchste Hochachtung ab. Riecht arg nach ganz und gar kniffeligen Strickabenden…

Ich muss gestehen, dass ich mich schon lange nicht mehr in einer Ausstellung so köstlich amüsiert – und gleichzeitig so viel Nachdenklichkeit mitgenommen habe.

Bei vielen Darstellungen muss man ganz genau schauen: Was ist mit den Personen dort? Welche Ängste, Einsamkeiten, Verzweiflungen tragen sie herum? Was ist mit der rechten Hand des Indianers? Kommt wieder hervor aus der Wand? Macht (trotzdem?) ein Victory-Zeichen? Wer schläft dort auf dem Einhorn?

Welche Vorstellungen versperren uns den Zugang zu unseren Gefühlen, wie (oberflächlich?) bunt ist unser Alltag?

Was hilft uns, fröhlich zu bleiben trotz der Schrecken der Realität?

Welchen Halsschmuck tragen die Hühner?

Wir sehen den Arbeitsplatz eines Street-Art-Künstlers…

…und noch viele blaue Indianer, die es mir besonders angetan haben, vielleicht weil sie so eine extra köstlich ironische Mischung aus etwas Albernheit, Verspieltheit und moralischem Zeigefinger sind?

 

Und am Ende? Wir gehen durch Neuf-Brisach und sehen den Ort mit anderen Augen. Sozusagen eine „Guck-Kur“ der besonderen Art:

Und das Ganze im schönen Elsass!