Jacinda Ardern, Christine Lambrecht und John Key (für Bilder bitte anklicken)

Ein Text zum Thema Emanzipation (wer von wem oder was auch immer), geschrieben in Neuseeland, Januar 2023 Mit dem Abtreten unserer Bundesverteidigungsministerin, während wir in Neuseeland waren, sah ich einen Gleichstand des Verfahrens bei Unfähigkeit sowohl männlicher als auch weiblicher Politiker*innen erreicht. Das ominöse Silvester-Video konnten wir zwar nicht sehen, das gab das lahme Schiffs-WiFi nicht her. Aber ich meine das so: Politikerinnen haben in der Form Gleichberechtigung erreicht, dass sie bei Unfähigkeit genauso zögerlich und unter peinlichen Umständen abtreten wie ihre männlichen Kollegen. Wenn man das für eine Errungenschaft halten möchte… Besser wäre vielleicht, einmal etwas intensiver – oder überhaupt – über das Besetzungs-Proporz-Prinzip in der Übertragung von Ämtern nachzudenken. Wie wär’s mit Kompetenzprofilen und Sachdiskussionen aus der Abteilung: „Wer kann das denn wohl am besten?“, liebe Politiker*innen? So würde man doch wohl eher der Schuldigkeit gerecht, einen so brisanten Posten in so brisanten Zeiten kompetent besetzen zu müssen! Das Spiel Männchen-Weibchen, Nord-Süd, rechts-links…wird dieser Verantwortung nicht gerecht! Und nun höre ich von den Plänen Jacinda Arderns, ihren Oktober 2017 schwanger (Respekt! Respekt!) angetretenen Job als 40. Premierminister*in Neuseelands am 7. Februar aufzugeben. Reaktion? Nichts von dem Gemäkel und Gespött, das Christine Lambrecht wochenlang um die Ohren bekam… Im Gegenteil: Eine Welle von öffentlicher Sympathiebekundung, Bewunderung und Nachdenkens über die Familienunfreundlichkeit solcher Ämter. Das ist erst einmal gut so und meine Bewunderung gilt dieser Frau, die gezeigt hat, dass Frauen Premierministerin können, anders können, auch unter schwierigen Bedingungen – und die hatte sie. Nicht nur Corona… Und doch: Sprachen wir von Gleichberechtigung beim Versagen, beim Beenden? Schauen wir mal auf die andere Seite der Medaille: Ein vormaliger Premier Neuseelands ist 2016 mit den Worten „ich habe nichts mehr im Tank“ abgetreten. Reaktion? Erstaunen und ein gewisses Misstrauen, ob er vielleicht eine Affäre oder einen Skandal vertuschen musste! Gleichberechtigung ist, wenn niemand privilegiert wird. Zugegeben: Man denkt an die vielen unsäglichen Rücktrittsgeschichten von Politikern, die über die Kante geschubst werden mussten, die vernebelt, vertuscht und gelogen haben. Oder eben ihre Unfähigkeit besser tarnen konnten als manche Frau? Gleichstand? Nein, noch nicht! Ardern sagte: „Es ist Zeit. Ich habe nicht mehr genug im Tank,“ und löste damit einen Sturm der Sympathie aus. Aber nicht alle Neuseeländer sehen sie als die nun gepriesene Lichtgestalt. Ihre Corona-Maßnahmen waren gnadenlos, so dass Menschen sogar dann die Einreise verweigert wurde, wenn sie sterbenskranke Angehörige besuchen wollten. Da gab es schlimme Geschichten im Hintergrund. Vor unserer Reise lasen wir über Ureinwohner (Maori) und Zuwanderer Neuseeland. Da die Holländer nicht auseichend interessiert waren bei ihrer Entdeckung des Landes, waren das die Engländer. Offiziell ist zwar Charles III. Oberhaupt im Königreich Neuseeland, seine Bedeutung für das Land ist aber eher repräsentativ. Angeblich gibt es kaum ein Land, in dem die Integration beider Gruppen so gut gelungen ist. Das wollten unsere neuen neuseeländischen Freunde Christy und Robert nicht unbedingt so teilen. Ardern führte zwar Matariki, das Neujahrsfest der Maori, als offiziellen Feiertag in Neuseeland ein, aber ein vollmundig proklamiertes Bauprogramm scheiterte kläglich (nur 258 der 100 000 für 10 Jahre angekündigten Häuser wurden gebaut). Die Maori leben zum Teil in verschimmelten kleinen Häuschen, die gesundheitsgefährdend sind. Gleichberechtigung herrscht, wenn auch solche kritischen Dinge geäußert werden, auch gegenüber einer sehr sympathischen jungen Mutter und nicht nur gegenüber alten weißen Männern!

Donau, so graugrün (für Bilder bitte anklicken)

Sichtweisen: Flussreise auf der Donau Flussreise auf der Donau von Passau bis zum Schwarzen Meer (Fazit wie immer erst am Ende) Wenn eine eine Reise tut, dann kriegt sie was zu denken…die Donau einmal herunter und dann wieder herauf… In diesen Tagen wirbt eine Kosmetikfirma für einen Duschschaum für mehr Dankbarkeit. Na gut, das funktioniert sicherlich prima. Vielleicht gibt es aber auch die schöne Möglichkeit, durch Nachdenken über den derzeitigen Weltzustand zum Schlusse zu kommen, dass man persönlich privilegiert durch eben diese gekommen ist und noch kommt. Ich empfinde das uneingeschränkt, denn mehr als 70 Jahre meines Lebens konnte ich ohne „Krieg um die Ecke“ zubringen. Frei nach dem Bürger-Motto im Faust I 1: Was kümmert’s mich, „wenn hinten, weit, in der Türkey/Die Völker aufeinander schlagen. /Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus…“ 1 Au weia, das ist ein böser Spiegel, der uns da vorgehalten wird. Und „Nichts bessres weiß ich mir an Sonn- und Feyertagen,/Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrey“ 1 (Faust I) ist uns ja sicherlich längst im Halse steckengeblieben, spätestens seit Krieg wieder zu etwas geworden ist, das uns direkt angeht. Da nehmen wir dann halt den Duschschaum und sind dankbar, wenn es nicht allzu schlimm kommt. Schönen Duschschaum gab es auf dem Schiff auch, dazu von Bord aus zu sehen: sehr viele schöne Landschaften, Städte, Burgen, Klöster, Felsen, liebliche Wiesen – und die allerschönsten Sonnenauf- und -untergänge, die es nur geben mag. Also war der spezielle Schaum gar nicht nötig, weil es genug für die Seeele gab und außerdem finde ich, so ein Fluss wirkt ein bisschen wie eine Dauermeditation, wenn man sie nur zulässt. Sitzen und gucken und sitzen und gucken und sitzen und gucken…wer das langweilig findet, ist falsch bei einer Flusskreuzfahrt. Im Kontrast dazu gibt es natürlich auch noch die Variante sitzen und essen und sitzen und essen … und sitzen und reden und das mit verschiedenen Menschen mit allerhand Ansichten, Lebenswegen, Interessen…. An so einem großen Fluss wie der Donau gibt es durchaus viele schöne große oder doch zumindest große oder auch nur schöne Städte. Wien, Pécs, Belgrad, Rousse, Bukarest, Novi Sad, Budapest, Bratislava, Weißenkirchen luden ein, wurden zum Teil touristisch „abgehakt“, führten oftmals aber auch zu wirklichen Begegnungen. Ein Fluss! EIN Fluss! Man glaubt es kaum… Dabei beobachtet jede*r natürlich, was ihn „sowieso schon“ interessiert. Bei mir gehört der Blumenladen im Schatten des Stephansdoms dazu oder auch witzige Details im „Steffi“. Diesen besorgten Baumeister fand ich an einem Orgelfuß. Er heißt Anton Pilgram und hat hier scheinbar alles zu tragen. Er stellt Winkemaß und Zirkel und eine sorgenvolle Miene zur Schau. „Guter Mann, immerhin hält alles schon seit 1513!“, möchte man ihm zurufen. Er müsste doch gar nicht so melancholisch gucken. Kleine Augenreise durch Wien (zum Vergrößern bitte anklicken, und: lassen Sie Ihrem Rechner ein bisschen Zeit, er hat’s grad schwer mit soviel Daten) Sowohl die Kutsche als auch der Fahrer heißen Fiaker. Die Dame hier ist also eine Fiakerin. Die Pferde tragen seit 2004 Pooh-Bags (POOH!) und dürfen maximal 18 Tage im Monat arbeiten. Von der Fiakerin weiß man’s nicht so genau, aber sie kann mit einem Einstiegsgehalt von 1480 bis 2210 € rechnen. Jetzt kommt die Sache mit dem Denken (also nicht nur sitzen und…). Wir hatten zuvor manche Reise mit hochprofessionellen studierten Reiseleitern, die uns die bereiste Gegend archäologisch eingeordnet, politisch erklärt, ästhetisch zugeordnet, weltanschaulich erschlossen… und was nicht alles, haben. Das war uneingeschränkt großartig. Das konnten die Reiseleiter*innen vor Ort zum Teil auch. Aber: Da war oft mehr als dieses sicherlich wertvolle Profi-Wissen, da war – oftmals nur in Spuren, aber eben doch – diese Nähe zu dem besuchten Ort durch die Nähe der erklärenden Person. Das völlig unprofessionelle Stöhnen über Lebensverhältnisse vor Ort („JessesMaria!“, „die Regierung kümmert sich einen S…um Touristentoiletten“), die Wut über und das Verständnis für diejenigen, die in den Westen gehen, der Stolz auf das „trotzdem“ Geschaffte, berührende Geschichten am Rande von neuen Herzklappen, Fluchten in die BRD, Zurückkehren oder dort Karriere machen… das gibt’s eben nur live und vor Ort und mit der Nebenwirkung, dass nicht alles perfekt und professionell abläuft. („JessesMariaundkleinbisschenJosef“ stammt übrigens ursprünglich von einer deutschen Rentnerin, die von einer Geflüchteten gepflegt wurde, die dann aber nach Kroatien zurückgekehrt und Reiseleiterin geworden ist). Und immer wieder spektakuläre Donauinszenierungen. Aber: „Runter vom Sofa“ (allerdings: „Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus“ 1 passte schon wieder sehr gut.), „weg mit dem Dankbarkeits-Duschschaum“ darf man da schon mal denken. Die Situation der Menschen vor Ort wahrzunehmen, heißt schon einen Schritt näher gehen, begreifen, was sie umtreibt. Der Ober kommt aus Bulgarien? Der andere aus Java? Und an dieser Stelle kommt die Variante sitzen und reden hinzu. Reden über die Mutter, deren Pflegerin aus Rumänien stammt; die Reiseleiterin, die sagt: „Hier wurde ich fast von der NATO getötet“; den Geburtsort Novi Sad eines Mitreisenden; die Erinnerung an ein Budapest vor „der Wende“ (wie sie alle sagen, was hat sich da nochmal wohin gewendet?); das Klagen der „Generation Silberlocke“, dass früher alles besser gewesen sei; das Meckern über den mehrfarbigen Kofferanhänger („völlig unorganisiert“); das Amüsement über eine neue Beziehung; eine Diskussion, wie man die Welt friedlicher machen könnte; Erörterung darüber, ob ängstliche alte Damen eher von herumstreunenden Straßenhunden gebissen werden als unängstliche; Klagen über die Langweiligkeit des Ufers; ….und die ewige und völlig uninteressante Frage: „Fanden Sie XXX schön?“ Was ist das schon? Optik, Essenz, Klugheit, Durchhaltevermögen, Monumentalismus, Bombastische Lichtszenearien, die Ruhe des Wassers, die Farbe des Himmels…? „Hier jibt et halt von allet“, würde der weise Berliner sagen – und Recht hat er. Dann eine Unterbrechung im Gespräch, denn die Donau bietet gerade wieder eine ihrer vielen Schleusen. „Gabcikovo? War das nicht das gemeinschaftlich von Tschechoslowakei und Ungarn geplante Kraftwerk, über das sie dann völlig zerstritten waren und das nun die Slowakische Republik alleine betreibt?“ Sitzen und reden über: Sinn und Unsinn von Staustufen; EU-Recht; ökologische Bedenken; Bedrohungen; den Fluss und seine Schiffbarkeit; wirtschaftliche Aspekte; Wasserkraftwerke (Djerdab I und II, betrieben von Serbien und Rumänien)… Muße, Nachdenklichkeit, Suche nach Nähe zu anderen Vorstellungen, Genuss von Schönheit und gutem Essen… dann braucht man den Duschschaum für mehr Dankbarkeit wohl nicht mehr. Fazit (und dann mehr Bilder) : Flussreise auf der Donau von Passau bis zum Schwarzen Meer – na ja, wegen Niedrigwasser das letzte Stück nur mit dem Bus, aber immerhin konnten wir unsere Füße in Constanza ins Schwarze Meer eintauchen und ganz viele Schneckenhäuser sammeln, die ich für Wellhornschnecken hielt, die aber eine Abart (Rapa-Wellhornschnecke)2 sind, die im Schwarzen Meer für eine Plage gehalten wird. Unwissenheit führt manchmal ja auch zu Freude! Wenn man die Kombination von sitzen und gucken, sitzen und essen, sitzen und reden und laufen und gucken bei den Besichtigungen gut zu kombinieren weiß und ab und zu einiges gedanklich zusammenwürfelt: Eindrucksvolle Reise! Allerdings: Wenn ich nur eine der Funktionen von sitzen und… betreibe, führt diese Reise entweder zu: Fettleibigkeit wegen sehr gutem Essen, Mäkeltum wegen Langeweile, oberflächlichem Quatschen wegen nachlässiger Wahrnehmung… aber das hat man schließlich selbst in der Hand oder im Kopf… Budapest Pecs (zum Vergößern der Bilder anklicken) Belgrad – Dom des Heiligen Sava Zugegeben: Wenn eine Fremdenführerin z.B. zwölf Millionenzweihuntervierungdfünfzigeinhalb Mosaiksteinchen (keine Ahnung, wieviel es wirklich sind) erwähnt, ist mein Gehirn längst auf Tauchstation. Aber: schon beeindruckend! Belgrad Konstanza – Schwarzes Meer Konstanza Bukarest – Kloster Stavropoleus Nehmen wir als Auftaktbild für Bukarest doch mal nicht das übliche, sondern diese alte Tür: Bukarest Novi Sad Bratislava Weißenkirchen   Anmerkungen: 1 Faust I (zitiert nach Faust, Eine Tragödie, historisch-kritisch ediert und kommentiert von Karl Heinrich Hucke, S.43, V. 860-867): Nichts bessres weiß ich mir an Sonn- und Feyertagen Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrey, Wenn hinten, weit, in der Türkey, Die Völker aufeinander schlagen. Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus Und sieht den Fluß hinab die bunten Schiffe gleiten; Dann kehrt man Abends froh nach Haus Und segnet Fried‘ und Friedenszeiten.   2 Rapa-Wellhornschnecken wurden erstmals in den 1940er Jahren im Schwarzen Meer gefunden. Sie hatte sich innerhalb eines Jahrzehnts entlang der kaukasischen und der Krimküste ausgebreitet und war in das Asowsche Meer gezogen. Von 1959 bis 1972 erstreckte sich ihr Verbreitungsgebiet bis in das nordwestliche Schwarze Meer bis zu den Küsten Rumäniens, Bulgariens und der Türkei. Wir fanden Ihre Häuser massenweise an einem kleinen Strand in Constanza.