Reisen zum Beispiel

Reisen zum Beispiel! Liebe Leser! (Sie wissen: an geraden Tagen -28.9.23 – der männliche Plural) Liebe Leser/Gucker! Heute mute ich Ihnen mal etwas zu! Sie kennen das Gedicht Reisen (1950) von Gottfried Benn? Da ist einer (Benn oder wer auch immer), dem die Utopien gründlich flöten gegangen sind. An dieser Stelle ist der Text anschlussfähig an unsere belämmerte Gegenwart. Und doch: Wir waren dieses Jahr viel unterwegs. Eskapismus? Bedingt…es kam einfach so…Und jetzt die Zumutung: eine bunte und lange Scrollrunde von Beobachtungen in naher und weiter Ferne: Gottfried Benn, Reisen Meinen Sie Zürich zum Beispiel sei eine tiefere Stadt, wo man Wunder und Weihen immer als Inhalt hat? Meinen Sie, aus Habana, weiß und hibiskusrot, bräche ein ewiges Manna für Ihre Wüstennot? Bahnhofstraßen und Rueen, Boulevards, Lidos, Laan – selbst auf den Fifth Avenueen fällt Sie die Leere an – ach, vergeblich das Fahren! Spät erst erfahren Sie sich: bleiben und stille bewahren das sich umgrenzende Ich. Text zitiert nach: Gottfried Benn: Sämtliche Werke. Stuttgarter Ausgabe. In Verb. m. Ilse Benn hrsg. v. G. Schuster und H. Hof, Klett-Cotta, Stuttgart 1986 2023 „mussten“ wir ganz viel reisen. Das war der Corona-Reisestau (heißt: einige Reisen wurden verspätet fällig, weil unter Corona ausgefallen, andere waren neu gebucht, noch wieder andere gehörten zum alljährlichen Ritual). Also in dieser Reihenfolge von Januar bis September 2023: Neuseeland – Australien (die Reisebeschreibung finden Sie unter Ver-reisen), Spandau, Douro-Tal und Lissabon (finden Sie auch schon hier), wieder Spandau und Berlin (Berlin bei Spandau, sagen die Spandauer),   von Barcelona nach Hamburg (finden Sie hier), wieder Spandau, Waldkirch, Freiburg, Lespinassière (Minervois),     Makkum (Ijsselmeer),     Abschlussdeich, Zwischendrin natürlich immer wieder das schöne Lingen. Was macht das mit zwei alten Menschen, wenn sie so viel unterwegs sind? Schließlich müssen die drei kleinen Gehirnzellen all diese Eindrücke verarbeiten? Als Benn das Gedicht schrieb, war er 62. Was für einen resignativen Zug muss ich da wahrnehmen?! Gut, er war zweimal politisch gescheitert. Aber die Ursache war u.a. seine Bewertung der Nazis (anfängliche Begeisterung). Die melancholische Geste kam in den 50ern gerade in Mode (mit diesem Gedichtband war er dann wieder „auf den Markt“) Aber müssen wir nun zu Haus bleiben? Und wie geht still sich umgrenzen? Aufm Sofa bleiben? Norderney, Und von Schönheit berührt sein kann der Betrachter in Lingen, Spandau, Berlin, Dunedin und Posemuckel (dabei: da waren wir noch gar nicht!). Gerade weil wir viel unterwegs waren, ist mir aufgefallen, was für schöne Ecken es in den Ecken gibt, nicht nur an prominenten Reiseorten! Und ansonsten: Wird schon, Herr Benn!      

Schönes Emsland

Nicht vergessen: Wenn Sie Bilder in den Berichten (erstmal sehen Sie nur die Texte) sehen wollen: anklicken. Dasselbe gilt, wenn Sie die Fotogalerien öffnen wollen. Zwischendrin möchte ich doch mal eine Lanze für das schöne Emsland brechen. Konkret in diesem Fall für das Stück Dortmund-Ems-Kanal vom Neuen bis zum Alten Hafen. Dort grünt und blüht es im Moment, dass botanisch Interessierte  gerade voll auf ihre Kosten kommen: Johanniskraut, Wundklee, Hopfenklee, Hornklee, Zaunwinde, Wiesen-Wucherblume, Engelwurz, Wiesen-Kerbel, Wilde Möhre, Schafgarbe in weiß und rosa, Mohn, Diesteln…und und und…(alle Aufnahmen vom 26. und 27. Juni, die Entenküken sind am 25. Juni 2023 geschlüpft) Botanik am Dortmund-Ems-Kanal zwischen Altem und Neuem Hafen Und:  Die Tierwelt auf dem Stück zwischen Meckerbrücke und Neuem Hafen: Gusti ist dort präsent und Enten mit wenigen Küken. Sie haben es dort unten wegen der Ratten, Kormorane und an Land wegen der Elstern schwer. Eine Ente, ich habe sie Daisy (wegen der frappierenden Ähnlichkeit mit Daisy Duck:-) getauft) brütet zum wiederholten Male auf unserem Balkon. Da ist sie sicher, aber der Abstieg wird von den Elstern sofort bemerkt. Sonntag hatte sie noch 5 Kükchen, heute -Dienstag- finde ich sie mit 3 Kükchen auf dem Kanal. Immerhin… Entenhausen bei Lingen: Zum Schluss noch ein Suchbild  (Daisy mit Kükchen):

Von Barcelona nach Hamburg

Diesmal ist es nur eine kleine Flucht vor Geburtstagsrummel und zur Erholung. Das Rauschen des Meeres durch die geöffnete Balkontür das Nachts…! Das ist manchmal schon genug. Darum nur ein paar allgemeine Bemerkungen und einige Bildergalerien zum Gucken. Heute las ich den Hinweis, es könne klug sein, nicht die allerschönsten Plätze der Erde zu fotografieren und in social media einzustellen, weil damit overtourism gefördert wird. Wir reisen deswegen nur mit kleinen Schiffen, weil der Effekt ja schon allein durch so eine Schiffsladung Menschen eintreten kann. Ich dachte sofort an die letzte Station unserer Reise vor Hamburg: Brügge, das uns so gut gefallen hat, aber: Parallel zu uns legte ein relativ großes Schiff an. Das gibt dann sofort Gedränge. Ich musste mich innerlich ganz schön zur Ordnung rufen, denn ich war ja Teil des Problems. In Brügge haben wir das örtliche Bier getrunken, die örtlichen Pralinen gekauft und unörtliches (holländisches) Lakritz. Und wir fanden den Ort sehr charmant. Vor vielen Jahren hat mein leider schon verstorbener Schwager, den ich zum Geburtstag anrief, gesagt: Ja du fehlst noch auf meiner Liste. Danke! Ich war einigermaßen verblüfft, dass da einer eine Aufstellung führte, auf der er offenbar dokumentierte, ob alle Freunde und Verwandten an seinem Ehrentage angerufen hatten. Weil ich diesmal während meines Geburtstags auf dem Schiff war, kommen hauptsächlich Mails, Textnachrichten, aber auch ein paar Anrufe. Ich bestaune, dass ich mich darüber sehr freue, obwohl doch auf der Flucht vor Geburtstaggedöns! Ich mache mir doch tatsächlich Notizen in meinem Reisetagebuch, muss über mich selbst grinsen und höre so bei 40 auf zu zählen. Wir sind in Valencia und es regnet wie aus Kübeln. Ich bin ein bisschen geneigt (wegen meines Ehrentages!), das persönlich zu nehmen. Unsere spanische Reiseleiterin versucht ein bisschen schützende Plätze aufzusuchen. Die moderne Architektur ist sehr interessant, hat aber wenige Überdächer. Sie (die Reiseleiterin!) hat ähnlich hübsche Sprachmacken wie die Portugiesinnen: Bänke für Bank (Geldinstitut). Sie lässt eine kleine Pause vor einem Laden mit Souvenirs und Schirmen. Ich glaube, die sind da endlich mal ihre ganzen alten Schätzchen losgeworden. Ein Mitreisender läuft etwas geniert mit einer wilden Flamenco-Komposition in noch wilderen Farben einher. Wir haben (der Wetter-App sei Dank) die Neuseeland- und Norderneyjacken dabei. Valencia im Regen Über Melilla (spanische Enklave in Marokko, die aus anderen als touristischen Gründen bekannt wurde), Cartagena geht’s nach Cadiz. Dort gibt es unter hängenden Schinken Tapas zu verkosten und lustige Bemerkungen unserer Reiseleiterin. Abends liest Thomas Blubacher aus seiner Gebrauchsanweisung für Kreuzfahrten Beschreibungen von Beobachtungen, die wir den ganzen Tag sowieso um uns herum machen. Da das Schiff nicht sehr groß ist, allerdings in etwas milderer Form. Ich denke kurz an die von Foster Wallace beschriebenen Männerwadenprämierung, der dann ja zum Schluss kommt: In Zukunft ohne mich! Beim Aussteigen aus dem roten Sessel, in dem er lesend residiert, stolpert Blubacher. Ich glaube, das war der überraschendste Moment dieser Lesung. Fuß eingeschlafen! Weil wir ja gerade in Portugal waren (Douro-Tal und Lissabon), versuchen wir dort noch andere Dinge zu sehen. Da uns der Weißwein bei der letzten Verköstigung nur mäßig begeistert hat, besuchen wir die Quinta da Bacalhoa in dieser Beilungsangelegenheit. Schöne Atmosphäre mit Kunstausstellungen und einer irritierenden Nachbildung der Dachau-Überschrift „Arbeit macht frei“. Dahinter Werke, die im Dritten Reich als entartet galten. Den genauen Zusammenhang konnte ich nicht herausbekommen. Auch jetzt noch nicht, mein Portugiesisch ist grottenschlecht (oder gar nicht vorhanden: Bei der letzten Reise habe ich doch tatsächlich fast 2 Wochen gebraucht zu kapieren, dass das Danke feminin und maskulin sein kann und ich gefälligst hätte obrigada sagen müssen). Es gibt also viele gute Gründe, nochmal nach Portugal zu fahren, etwas mehr Sprachkenntnis vorausgesetzt. Die Sache mit dem Wein ist auch noch gar nicht ausgestanden. In der Quinta da Bacalhoa schmeckte uns der Chardonnay sehr gut. Auf derselben Tour besichtigten wir eine Azulejos-Manufaktur. Von der ausgerollten Tonplatte bis zur fertigen Fliese alles Handarbeit in verschiedenen Techniken. Die Motive sind traditionell, handgemalt, manche fanden wir verwunderlich. Ein kleines buntes Kästchen mit hübschem Ornament haben wir mitgenommen, soll uns erinnern, dass wir nochmal nach Portugal wollen… Bildergalerie   Ausflug nach Obidus Das portugiesische Rotheburg ob der Tauber: viel tolle alte Bausubstanz, viel Geschichte, eine fast geschlossen erhaltene Stadtmauer, auf deren Balustrade man entlangbalancieren kann, Schwindelfreiheit vorausgesetzt. Bildergalerie Wir landen an in Porto de Leixões und fahren nach Guimarães Die hübsche Stadt liegt im Norden und gilt als „Wiege der Nation“, weil hier der erste König Portugals (Alfons I.) geboren wurde und sie die erste Hauptstdt Portugals war. Wir kommen dort am Tag des Kindes an und überall wird vorgelesen. Die Bausubstanz (viiel Vergangenheit!) ist beeindruckend und die Atmosphäre entspannt. Ein Beispiel aus Guimarães dafür, wie unterschiedlich Kacheln (Azulejos) in Portugal verwendet werden, mal gaanz schlicht: und mal gaanz  -sagen wir vornehm – ausdrucksstark: A Coruña In der Nacht kommt dichter Nebel auf, das Schiff tutet in regelmäßigen Abständen und macht weniger Fahrt. A Coruña sehen wir erstmal nicht, später klart es auf und wir finden die romanischen Kirchen, die Schinken und den Wein durchaus beeindruckend. Im Hafen findet ein Benefizlauf statt, der so wirkt, als wäre mindestens die halbe Stadt in rappelgrünen Westen auf den Beinen. Unsere Reiseleiterin verkündet etwas vergnätzt, in A Coruña werde ständig gerannt. Als wir der Sache näher kommen, verstehen wir, was sie meint: Ein unglaubliches Musikgetöse, unterbrochen durch genauso laute Durchsagen, macht jede Verständigung unmöglich. Etwas abseits des Getöses stelle ich fest, dass ich in A Coruña in der Calle de San Franicisco ein Café betreibe. Bin dann aber angesichts der Elektroinstallation, die in Südeuropa fast so abenteuerlich ist wie in Asien, ganz froh, dass der Laden nicht zu meinen Portefeuille gehört. Renovierungbedarf! Der Gang durch den Ort führt uns zu wunderbarer Romanik und endet in einem Lokal, in dem der Himmel voller (Serrano-) Schinken hängt. Bilderbogen A Coruña Leider wird St. Malo bestreikt, so fällt Mt St. Michel aus. Wir waren beide schon dort, trotzdem schade! Im Ärmelkanal wird es eine bisschen rauer, erstaunlich, nachdem wir eine bügelbrettglatte Biskaya erlebt haben. Ankunft in Honfleur, dem charmanten Ort an der Mündung der Seine. Vor einem Jahr hatte ich hier versucht, das Satie-Museum zu besuchen. Ging nicht, es war Dienstag. Wann kommen wir diesmal dort an? Klar: Dienstag. Aber wir bleiben noch den Mittwoch und nun gelingt der Besuch. Man bekommt Mickymäuse auf die Ohren mit Saties Musik und Erläuterungen, leider nur englisch oder französisch. Das kleine Museum ist skurril, etwas für Satie-Liebhaber. Satie-Museum Im Ort werden viele kleine alte Straßen charmant restauriert. Die Atmosphäre ist entspannt, die Leute sitzen beim Essen und Kaffee um das Hafenbecken herum. Witzige kleine Galerien bieten Kunst und Kunstgewerbe an. Galerien Bildergalerie Honfleur Noch eine lustige Kleinigkeit am Rande: Überall in Honfleur wird das Produkt Pisse de vache (ja, ganz richtig: Kuhpisse!) beworben. Einige Plakate behaupten sogar, man könne guten Gewissens gar nicht den Ort verlassen, ohne wenigstens eine Flasche davon mitzunehmen (on ne quitte pas Honfleur sans emporter une Pisse de Vache!). Dabei ist zu sehen, wie ein Bäuerlein den Kuhschwanz wie einen Schwengel bedient und aus der Kuh… na ja, es scheint sich um jus de pomme (Apfelsaft) zu handeln: Als ich einem deutschen Freund (der Mann hat Expertise: Tierarzt!) die Geschichte der Apfelsaftvermarktung von Honfleur erzähle, erklärt er mir, Kuhpisse rieche tatsächlich nach Apfelsaft! Donnerwetter. Diesen Zusammenhang kannte ich nicht. Ob das Produkt mir nun dadurch sympathischer geworden ist, muss ich gedanklich noch länger überprüfen. Erstmal haben wir die Flaschen in Honfleur stehen gelassen: Nächster Hafen: Zeebrügge. Im Gegensatz zu zum Beispiel Lissabon (man liegt dort sehr hübsch mitten in der Stadt) liegen wir hier in einem Containerhafen (hässlich). Aber Brügge ist eine schöne Stadt: Bisschen viel Touristen heute….Wir gehören dazu. Da mit uns zusammen ein größeres Keuzfahrtschiff angelegt hat und Schulklassen im Ort unterwegs sind, ist es schon etwas wuselig. Wir würdigen die Produkte der Gegend, indem wir von dem guten Bier (allerdings nur 2 von 60 Sorten!) probieren, die Pralinen bestaunen und einpacken lassen (jo! schon!) und von den echten Pommes (die kommen nämlich aus Belgien und nicht aus Frankreich, wie viele glauben) Abstand nehmen (am Ende passt ja sonst gar nichts mehr!). Auf dem Weg zurück nach Hamburg ist es Nordsee-frisch, wir lesen dabei von Rekordtemperaturen im Emsland. Und richtig: Als wir dort ankommen, ist es erheblich wärmer als in Spanien und Portugal!        

Douro-Tal und Lissabon

Wie so vieles im Leben eine Frage des Blicks: Diesmal keine Reisebeschreibungsoper, sondern nur ein paar Häppchen für diejenigen, die noch nicht dort waren und so verführt werden sollen, dieses wunderbare Land zu besuchen: Portugal: Douro-Tal, Lissabon und bisschen drumherum Die portugiesische Fluglinie TAP (Transportes Aéros Portugueses), leicht erkennbar an den lustigen Farben, bringt uns von Frankfurt nach Lissabon, dann nach Porto. Vorsicht: bei TAP gibt’s nix zu futtern, richtig: nix! Einen Becher Wasser…das war’s. Okay, niemand stirbt auf einem 3 Stunden, 10 Minuten Flug Hungers, aber wenn man’s nicht weiß, ist es schon ein bisschen verblüffend. Wenn Sie im Besitz einer Kreditkarte (ha, ich nun wieder!) sind, können Sie aber ein Gläselchen Wein (serviert in einem Fläschelchen) und ein belegtes Pappbrötchen käuflich erwerben. Besser: Knifte mitnehmen! Das taten alle um uns herum, die schon mal mit TAP geflogen sind. Gab so ein Gefühl wie Schulausflug mit Mettbrötchen und Eier pellen beim Ortausgang. TAP gehört inzwischen zu über 70 % dem portugiesischen Staat. Und überhaupt: die Portugiesen sind nicht auf Rosen gebettet… Gleich in Porto vom Hügel der Kathedrale aus wird uns in wenigen Bildern klar, dass ein Erbe von solch architektonischer Pracht und eine ungeheure Fülle von nicht im Zweiten Weltkrieg zerstörter Bausubstanz Schattenseiten hat. (Portugal blieb neutral) Wer soll all diese aufwendigen Renovierungen zahlen? In der Salazar-Diktatur (bis 1974) wurden die alten Häuser billig vermietet und nicht renoviert, später war dafür kein Geld und seit der EU-Mitgliedschaft (1986) begann eine zögernde Aufbauarbeit, die angesichts der Fülle des Erbes fast nicht zu stemmen ist, dazu überschattet von Krisen und extremen Sparverordnungen der EU-Kommissare. Jedes renovierte Gebäude (ungeheure Kulturschätze!) ist da ein Glück. Zerstörung durch Gewalt hat es zuletzt während des Erdbebens von Lissabon (1755) gegeben, alles andere droht nun an vielen Orten der Zahn der Zeit zu zerstören. Porto: Bauten und Buden Eine Seefahrernation Am deutlichen fühlen kann man das Seefahrer-Erbe des Landes in Cabo da Roca. Das ist der westlichste Punkt Europas. Danach kommt westwärts viiiel Meer, noch mehr Meer und nach 1500 km die Azoren. Die östliche Begrenzung besteht aus Spanien und da es vom größeren Bruder immer mal Vereinnahmungsversuche gab, gehört es zu den ersten Informationen der Reiseleiterinnen, dass die beiden Länder nur 60 Jahre! nur läppische 60 Jahre! vereint waren (1580 bis 1640, das kann ich auswendig, weil es ziemlich oft wiederholt wurde). Die Freundschaft hält sich immer noch in Grenzen, ist aber auf den Zustand einer freundlichen Kabbelei abgesunken. Trotzdem ist der Selbstbehauptungsprozess der Portugiesen aktiv und präsent, dort lauern offenbar immer noch einige Empfindlichkeiten. Also: Niemals behaupten, Portugal sei wie Spanien. Das wäre so unhöflich wie doof, denn die Portugiesen sind ein sehr freundliches Volk. Aber ein paar Sachen wollen sie nunmal nicht hören und haben… Was ist logisch in der Situation? Östlich die ungeliebten Spanier, westlich das weite, weite Meer? Richtig: Nach Westen wird erkundet und das – wie wir wissen – ungeheuer erfolgreich. Wir genießen diesen Reichtum noch heute in den erhaltenen Bauwerken des Manuelismus. Am Cabo da Roca blühen ganze Felder von gelber Mittagsblume (Carpobrotus edulis, auch essbare Mittagsblume, gelten als invasiv), die ihrem Namen Ehre macht, indem sie uns bei unserem vormittäglichen Besuch eher die kalte Schulter oder nur mäßig geöffnete Blüten zeigen. Auf dem Stein steht: „Hier, wo die Erde endet und das Meer beginnt…“ (Luís de Camões, 16. Jahrhundert) Das genau ist das Gefühl! Cabo da Roca Der Douro Er entspringt in Spanien in den Picos de Urbión auf 2080 Metern Höhe. Logisch, dass er allerlei Staustufen und Schleusen überwinden muss, um das Meer (N.N. liegt ja bekanntlich 2080 m tiefer) zu erreichen. Leider haben die Spanier ihm keine Schleusen gegönnt, so dass er nur auf den 211 km in Portugal schiffbar ist. Die Schleusen dort haben’s in sich, Fallhöhen über oder um 30 m sind dreimal im Sortiment, Pocinho und Crestuma haben etwas weniger. Die Eisenbahn fährt am Rande des Flusses mit (von Porto bis Pocinho), danach können Sie sich vielleicht einen hübschen stillgelegten Bahnhof an der ebensolchen Strecke kaufen!? Die Gegend ist schön! Weinberge und immer steiler werdende Schluchten in Richtung spanische Grenze, ruhigere Abschnitte in Richtung Porto mit allen renommierten Namen der Portwein- und Weinproduktion an den Ufern laden zum Gucken und Gucken … ein. Fluss-Meditation Der Douro wechselt die Farben, die Flussgeschwindigkeit, überwindet in Schleusen in den Schluchten von Valeria gerade mal eben 34 Meter  Höhenunterschied…Die Landschaft drumherum ist Anfang April wie in den Strartlöchern. Einige Bäume sind nur grün überhaucht, andere schon im vollen Quietschgrün des Frühlings. Rotmilane kreisen. Hier und dort leuchtet ein roter Tupfen Mohn, die Weinberge schimmern in nackter Erde, gelbbraun, rotbraun, fein liniert durch Rebterrassen. Etwas Gelb vom Ginster leuchtet auf, grelles Grüngelb von wildem Senf und dann dieses unverschämte Dottergelb der Butterblumen. Der Douro glänzt graubraun, von einer grauen Schotterpiste der vor Salamanca stillgelegten Eisenbahn gesäumt. Hübsche kleine, oft allerdings verfallende Bahnhöfe, an einigen leuchtet „se vende“ (zu verkaufen). Olivenhänge und Begrenzungen der Weinberge durch Linien graugrüner Oliven wandern vorbei. Quintas, die schon bessere Tage gesehen haben, einige aber auch im strahlenden Weiß einer frischen Renovierung. Das lebhafte Pink von Cercis (meinetwegen: Judasbaum, ich mag den Namen nicht…) und das Blauviolett der Glycinen  an den Häusern…Wenn man all das lange genug an sich vorüberziehen lässt, tritt dieser Zustand des Innen-Drin-Total-Zufrieden-Und-Entspannt-Seins ein, den man sonst nur durch Meditaion erreicht! Wundervoll! Porto ist Anfangs- und Endpunkt der Douro-Kreuzfahrten. Die Stadt ist nach Corona jetzt wieder voller Leben und man merkt, dass alle froh sind, die Touristen wieder zu begrüßen. Am Anleger singt eine junge Frau ein altes Lieblingslied von mir (Girl from Ipanema) natürlich im portugiesisch-brasilianischen Original (Garato de Ipanema, Moraes/Jobim 1962). Über ihre schöne Stimme und sowieso und überhaupt: Ich bin beglückt! Die Straßenhändler sind da, aber nicht aufdringlich, die Cafés und Restaurants voll. Insgesamt eine fröhliche und entspannte Stimmung in der Stadt. Klug könnte es allerdings sein, die Feiertage zu meiden, da wird es dann arg voll. Überall wird gebaut, es entsteht eine neue U-Bahn und vor dem spektakulär mit Azujelos geschmückten Bahnhof klafft eine große Baugrube. Man kann auch deutlich hören, dass der Untergrund hauptsächlich Granit ist – schwer zu überwinden! Ach ja – und der Zusammenhang zwischen einer Port- und Sherrymarkenreklame (der Mann mit dem großen schwarzen Umhang) und der Universitätsbekleidung in Coimbra wurde uns spontan klar, als junge Studentinnen dort in traditioneller Kleidung bunte Stifte verkauften: Lamego Besonders bekannt in Lamego ist die Rokoko-Kapelle Santuário nossa mit der 613 stufigen Wallfahrtskapelle. Sehr schön auch der gotische Dom mit interessanten Portaldetails, die Sünden betreffend. Eine heiter wirkende Stadt, in der man den heimischen Schaumwein trinken soll. Wir haben uns aber nicht an diese Empfehlung gehalten – weil wir halt lieber ruhigen Wein mögen. Bilderbogen Lamego Coimbra Coimbra ist eine alte Universitätsstadt. Den schwarzen Umhang als Bekleidung für die Studenten („Sandeman-Umhang“) kennen Sie schon. Im Innenhof der Universität finden wir zwei Schulklassen unterschiedlichen Alters unterschiedlich nachlässig in farbige Schuluniformen gekleidet. Bilderbogen Coimbra Fatima Zu Fatima nur soviel: Für mich zu viel Gigantomanie, Glauben und Gold. Dafür blühte der Ginster sehr schön und junge Techniker rollten in der Kirche ihre Kabelrollen für die Osterübertragung aus. Ein Stückchen Berliner Mauer hatten sie auch… Lissabon Für Lissabon braucht man mehr Zeit als wir sie hatten. Ein Grund wiederzukommen! Und: nicht zu Feiertagen hinfahren! Unglaublich schön fanden wir den Kreuzgang des Hieronymus-Klosters (gilt als einer der Höhepunkte des manuelinischen Baustils). Hieronymus ist einer der 4 lateinischen Kirchenväter und hat die Bibel ins Lateinische übersetzt (Vulgata). Es war aber Karfreitag und als wir wieder herauskamen, war uns sonnenklar, dass wir über einen Besuch der Kirche nicht nachzudenken brauchten. Die Schlange reichte bis zum Horizont:   Bilderbogen Hieronymus-Kloster Bilderbogen Lissabon am Karfreitag 2023 (ein sehr bunter Bilderbogen, der insgesamt am 7.4.23 entstanden ist) Diesmal werde ich nicht alle Geschichten erzählen, nicht von den Azulecos am Bahnhof von Pinhão, nicht von Salamanca (Ausflug nach Spanien), nicht von Sintra, wo das Personal streikte und wegen Ostern alles verstopft war… aber ein paar Nebenbeobachtungen sollen Sie am Schluss noch etwas zum Schmunzeln bringen: von Touristen, die nicht aus dem Denkmal gehen und somit mit abgelichtet werden müssen, dicken Katern, die auf dem Fischmarkt in Porto leben, Tischecken im Mateuspalast mit Selbst-Busenhalterin, Bier, das tatsächlich Superbock heißt,  und einer Dame, die sich vor dem Mateuspalast im Wasser räkelt. Den Rest müssen Sie sich schon alleine anschauen, wir haben schließlich auch nicht alles sehen können…und müssen nochmal wiederkommen. Aber eine Geschichte werde ich noch erzählen: die von den portugiesischen Reiseleiterinnen!

Neuseeland: Großes Kino für Stella

  Neuseeland: Großes Kino für Stella Siehe auch: Jacinda Ardern, Christine Lambrecht und John Key Nach unserer Südamerikareise hatte ich wie üblich meinen Reisebericht auf momos-memos.de gestellt und unsere Mitreisende Stella schrieb mir dazu: „Großes Kino, momo!“ Ich habe mich seinerzeit über ihr Lob sehr gefreut. Bald schon hatten wir neue gemeinsame Reisepläne: Neuseeland sollte es werden und zu viert. Silvester in Singapur, dann Melbourne, mit dem Schiff um Neuseeland herum und von Auckland zurück nach Singapur und Frankfurt. Dann kam Corona: Erst machte Australien dicht, dann Neuseeland, dann Singapur…. dreimal in Folge wurde die Reise abgesagt. 2022 sah es nun endlich so aus, dass unser Plan Wirklichkeit werden sollte. Stella hatte im Herbst viel unerklärliche Rückenschmerzen, dann wurde es immer schlimmer und es wurde klar, dass sie nicht mitkommen konnte. Wir haben das lebhaft bedauert, sind aber dann als „Resttruppe“ allein gefahren. Schöne und schlimme Dinge liegen im Leben ja oft sehr nah beieinander und unsere Gefühle, wenn wir etwas besonders Schönes gesehen haben, waren immer auch einen Hauch mit dem Schmerz gemischt, dass Stella das nun nicht mehr sehen konnte. Bei den ungeheuer wechselvollen und pittoresken Ausblicken vom Mount Maunganui (bei Tauranga) aufs Meer habe ich dann kurz nach der Nachricht von Stellas Tod die schmerzhafte Schönheit der traumhaften Panoramen mit rauschendem Meer empfunden und daran gedacht, was sie damals gesagt hat: „Großes Kino, momo!“ Dieser Reisebericht ist also Stella gewidmet und den großartigen Landschaften und Himmelsszenarien Neuseelands. Der Bericht hätte auch wieder „Wolkenreisen“ heißen können, denn Wolken – Wolken! – in so ziemlich jeder Form und Farbe gab es wieder zu bestaunen. Beeindruckend auch immer wieder die Botanik. Das ist ja sowieso ein Fimmel von mir, aber als am Strand von Napier die Gazanien bis ans Meer blühten, konnte ich mich gar nicht wieder einkriegen: Aber der Reihe nach: Singapur zum Ersten (Hinweg) und zum Zweiten (Rückweg). Zweimal Neujahr! Diese Stadt wird gerne als Stopover benutzt, wenn man auf „die andere Seite“ der Welt möchte. Ein paar Tage Zeit dort sind aber absolut zu empfehlen, denn Singapur hat viele interessante und schöne Seiten. Es ist  grün und feucht und warm dort. Aber „grüne Hölle“ passt insofern gar nicht, als alles sehr gepflegt und vollkommen clean ist. Der Weihnachtsschmuck bei 32 Grad und üppig blühender Umgebung wirkt irgendwie seltsam. Ein junger Hotelbediensteter erkundigte sich am letzten Morgen unseres zweiten Aufenthaltes sehr intensiv nach den Temperaturen in Europa (es war 7 Uhr morgens und bereits 30 Grad) und sagte dann überzeugt: „Ich wandere später aus dahin, wo’s richtig schön kalt ist!“ Na ja, jedem seine Perspektive… Wer nach Singapur kommt, sollte nicht vergessen, eine schöne mollige Strickjacke mit sich zu führen. Das Weinrestaurant, in dem wir unser Silvester-Essen nahmen, war eiskalt. Man konnte aber lauwarmes (!) Wasser in türkisfarbenen Ikea-Tassen haben. Eine vierköpfige Familie am Nachbartisch verbrachte den letzten Abend des Jahres einträchtig, indem jede*r sich intensiv mit dem Smartphone beschäftigte. Alle haben irgendwie immer ihr Smartphone in der Hand. Sprachprobleme werden recht pragmatisch gelöst: Der Zimmerservice klingelt und hält mir ein IPhone vor die Nase. Drauf ein groß gedruckter Text: „Have you got any laundry?“ Dann bedeutet sie mir zu warten und anschließend in das Phone zu sprechen. Ich höre wie mein „nein danke“ in einen (vermutlich) chinesischen Singsang übersetzt wird, sie lächelt verbindlich, sagt tatsächlich selber „happy new year“ und verschwindet. Wie praktisch! Auf dem Hinweg haben wir den Botanischen Garten besucht, das ist eine wunderbare Anlage mit einer unschlagbar schönen Orchideensammlung. Da es der erste Tag des neuen Jahres war, waren dort sehr viele Picknickgruppen und lustige familiäre Versammlungen unterwegs. Auch bei diesem Ansturm von Menschen war die gesamte Parkanlage absolut clean, keinerlei Müll auf dem Rasen oder in den Rabatten. Nicht nur die Blumen-, sondern auch die Menschensammlung fanden wir durchaus bemerkenswert. Hintergrund für Hochzeiten, Ausführen der Hunde, Selfies mit Orchideenhintergrund…eine sehr ruhige und entspannte Nutzung im Gegensatz zu dem, was wir in den Gardens by the Bay erleben würden. Erstaunt war ich über den Garten der Berühmtheiten, wo ich als Orchideen-Spezialzüchtung zunächst nur Xi Yinping fand, zu meiner Beruhigung dann allerdings bald alle üblichen Verdächtigen. Als wir nach 20 Tagen nach Singapur zurückkamen, waren wir geneigt zu glauben, es sei dort schon für Ostern geschmückt, weil schon im Flughafen lauter Häschen dekoriert waren. Weit gefehlt: Es war schon wieder Neujahr, diesmal das chinesische und gefeiert wurde der Beginn des Jahres des Hasen. Das Hotel hatte sich ordentlich aufgebrezelt mit Lampions, chinesischen Glücksdrachen und sehr bunten Karnickeln… Hotel und Frühstück in Singapur Besonders deutlich wurde das Bemühen des Hotels, allen Geschmacks-Richtungen nachzukommen, bei der Deko und beim Frühstück. Die europäische Abteilung mit Kaffeemaschine, Backwaren, Rührei und Co. war eine Linie, viel umfänglicher aber fielen die Abteilungen mit den verschiedenen asiatischen Esswaren aus, die ich besonders interessant fand. Als ich eine junge Asiatin fragte, was das denn sei, was sie sich dort in Mengen auflud (der Koch hob fröhlich den Deckel von etwas, das für mich wie Dampfnudeln aussah), sagte sie, das wisse sie nicht, aber das esse sie jeden Morgen. Um diese Produkte schlichen auch einige von den in Schlafanzüge gehüllten Gestalten herum, die uns in Shanghai schon so amüsiert haben. Beliebt waren auch die einschlägig vorbestraften weißen Hotelschlappen, am hübschesten an zierlichen 36er Füßen so in Größe 45. Der Hit beim asiatischen Essen schien mir die „Suppe zum Selbstbasteln“ zu sein: In eine mit großen Kellen geschöpfte Brühe wurden allerei geheimnisvolle Dinge (einiges sah gefährlich nach Chili aus) eingerührt. Nachdem ich mit mit einem Franzosen ausreichend über die „Beurre Doux“ aus der Bretagne lustig gemacht hatte (am Abend lernten wir bei dem sehr indischen Italiener unten in der Hotelanlage eine junge Nahrungsmittelingenieurin aus der Normandie kennen, die uns ernst belehrte, es gebe halt keine Kühe in Singapur) , fiel mir dann auch noch eine ganze indische Abteilung auf. „Hier jibt et eben von allet“, würde der Berliner sagen, auch tschechisches und deutsches Bier (das wird billiger, wenn man es vor 7 p.M./19 Uhr trinkt!), dazu zum Neujahr des Hasen überall lustige Kaninchen-Hasen und andere bunte Tiere. Taxifahren in Singapur ist einigermaßen günstig und man kann mit der Kreditkarte bezahlen. Hätten wir auf dieser Reise mit Bargeld arbeiten wollen, hätten wir vier Sorten Dollar mit uns führen müssen: Singapurdollar, australische Dollar, neuseeländische Dollar und auf dem Schiff amerikanische Dollar. Ging aber alles mit der guten goldenen Sparkassen-Kreditkarte. Am günstigsten ist es auch, in Landeswährung zu zahlen, die Umrechnung in Euro geschieht dann in Deutschland. Wir ließen uns also zu den Gardens by the Bay fahren. Es regnete wie aus Kübeln, aber unser lustiger chinesischer Taxifahrer behauptete, er habe magische Kräfte und der Regen werde aufhören, sobald wir dort wären. Es stimmte, aber sein Poker-Einsatz war nicht besonders hoch. Diese Art Regen verhält sich nicht wie der emsländische Landregen: Kommt und geht lange nicht wieder, sondern ist heftig und kurz. Allerdings war die Feuchtigkeit dann so hoch, dass man klebte – und für die Frisur ist das auch nicht so richtig gut. Aber die Gardens by the Bay sind unbedingt einen oder besser viele Besuche wert. Da wir ja schon wieder im neuen Jahr gelandet waren, waren in den Gärten Unmengen von chinesischen Menschen unterwegs. Sie fotografierten sich gegenseitig oder selbst –  bis die Handys glühten! Wir waren lange in dem großen „Flower Dome“ unterwegs, ich habe aber nur eine einzige Frau gesehen, die sich für die Blütenpracht dort interessiert hat. Sie machte ein Foto von einer schönen Dahlie. Alle anderen posierten vor den Blumen und der Neujahrs-Deko, die sie als Hintergrund für ihre Selbstdarstellung benutzten. Das Ergebnis der Fotografie-Bemühungen wurde jeweils überprüft und bei unzureichender Schönheit der Abgelichteten mehrfach wiederholt. Beliebt waren als Hintergrundmotive auch die große Fülle von Hasen, die allerdings allesamt wie putzige Karnickel aussahen. Dabei gibt es eine gewisse Sorglosigkeit beim Mischen von künstlichen und botanischen (lebendigen) Gestaltungselementen. Von Singapur ging es weiter nach Melbourne. Von dort sollte es aufs Schiff gehen. Da der Transfer vom Flughafen ins Hotel „Batman’s Hill“ wieder nicht klappte, lernten wir das australische Taxiwesen (das uns in Melbourne fest in indischer Hand vorkam) kennen. Das Hotel, wie geduckt vor den umgebenden Hochhäusern, ist ein schönes altes Haus mit verblichener Würde. Unser Zimmer ist eher Badman’s Hill, renoviert, aber nicht fertig geworden… Die Lage ist allerdings sensationell gut. Der Name kommt übrigens nicht von irgendwelchen Fledermäusen, die das Personal eher verschämt (und ungern, wie uns eine Dame im Lift verschwörerisch versicherte) aufgestickt trägt. Sondern: Ein Herr John Batman (1801-1839) hat seinerzeit diese leichte Erhebung als für Besiedelung günstig entdeckt. So lernten wir Kawal kennen, der uns am folgenden Tag herumkutschierte und uns interessante Einblicke in seine Stadt gab. Da wir (er war soo freundlich) nicht so recht gestehen mochten, dass unser Interesse an Sport und militärischen Ehrenmalen (einschließlich des Rotkreuz-Esels) eher marginal ist, wurden wir jeweils dort abgelichtet. Die Parks und die blühenden Pflanzen gefielen uns ungemein, zudem Queen Victorias Market, der botanische Garten und die Struktur der Stadt, die überall großzügig, grün und sauber wirkt. Kawal muss ja nicht unbedingt erfahren, dass wir völlige Sportmuffel sind, nie verstehen werden, wie Cricket geht und über die vielen Orden im Shrine of Remembrance ziemlich perplex waren. Es war so ein schöner Tag mit Kawalit Singh! Absolut! Neuseeland und fremde Pflanzen und Tiere Bevor unsere Reise mit einem amerikanischen Schiff überhaupt losging, gab es allerlei schlechte Nachrichten über Nicht-Anlanden-Können, über „hull cleaning“ (das Wort vergesse ich nie, musste es zunächst aber nachschauen: Reinigung des Schiffsrumpfes). Zunächst hieß es, eben diese müsse von Tauchern in der Tasman Bay besorgt werden, wenn wir überhaupt in einen neuseeländischen Hafen wollten. Nun ist die tasmanische See geneigt, gelegentlich etwas kabbelige Wellen zu erzeugen. Keine Chance für „hull cleaning“! Nach zähen Verhandlungen (der Kapitän behauptete davon graue Haare bekommen zu haben; ein Witz, denn er hatte so viel wie keine) konnten wir einige Häfen auch so anlaufen, aber eben nicht alle geplanten. Da wir alle Anlandungen sehr schön fanden, waren wir aber zufrieden. Unsere neuseeländischen Freunde mussten ein Familientreffen umplanen, waren aber auch ganz entspannt. Ausgerechnet beim deutschen Abend (bisschen lustig, was Amerikaner darunter verstehen) wurde mir die kabbelige See zum Verhängnis und ich musste zum Erstaunen unserer neuseeländischen Freunde meine weitläufigen Erläuterungen zu „Wüaschtchen“ ,“Ssauerkraut“ und „Snitzel“ plötzlich aufgeben und unsere Kabine aufsuchen. Scheint bei mir einmal pro Reise „dran“ zu sein, machte natürlich angesichts des deutschen Buffets einen ausgesprochen schlechten Eindruck. Ist mir später nicht wieder passiert, nicht bei indonesisch, amerikanisch, französisch, chinesisch oder sonstwas. Bevor wir die tasmanische See mit den oben beschriebenen Folgen überqueren, landen wir Sidney an. Die Stadt mag uns wohl nicht und begrüßt uns mit schlimmem Dauerregen. Wir fliehen schließlich an unseren Liegeplatz nahe der Harbour Bridge. Zwei füllige australische Damen äußern beim Essen ihr ungebremstes Erstaunen über das Wetter. Und zwei Deutsche erzählen uns ihr Abenteuer auf der Azamara Persuit (wir hatten 2019 genau die Tour vor ihnen gebucht), von der sie wegen Corona nicht herunterkamen. Ewiger Urlaub ist auch irgendwie schwierig…Sobald der Regen aufhört, wird es warm und man ahnt, wie es normalerweise im Sommer in Sidney ist… Dunedin (gesprochen DuEdin) Mit Dunedin ging es uns wie mit Sidney: Heavy rain! Wunderbare Wolkenberge, gegen Abend dann etwas Sonne mit noch wunderbareren Wolkengetümen. Janet Frame (unbedingt lesen: Ihre Autobiografie „Ein Engel an meiner Tafel„!) ist hier geboren. Will hoffen, dass es nicht ständig so ist in Dunedin. Das könnte ihre Gemütsverfassung (mit) erklären. Wenn Ihnen das Lagerholz im Hafen von Dunedin auffällt: Das war das Bild in fast allen Häfen (riecht außerdem gut!). Es wird viel schnell wachsendes Radiata-Kiefernholz exportiert. In Neuseeland erhält die Forstwirtschaft im Rahmen des dortigen CO2-Handelssystems eine Vergütung für ihre Klimaschutzleistungen. Nämlich: Wo Bäume wachsen, binden sie Kohlendioxid und dienen damit dem Klimaschutz. Das zu belohnen, könnte vielleicht auch in Europa eine gute Idee sein? Ein Busfahrer erzählt uns, während wir einen endlos langen Hafenzug mit Langholz abwarteten, dass  das schnell wachsende Holz hauptsächlich zur Papiererzeugung nach Japan geht. Es gab aber auch wenige sehr umfänglich Bäume: Sumpf-Kauri und Kauri-Holz. Sie dürfen nicht gefällt werden, sondern müssen irgendwann umfallen/umgefallen sein. Zwischendrin erreichen uns Nachrichten zu Christine Lambrecht. Dazu eine Betrachtung unter „Gedanken zur Zeit“ Essen und Menschen auf dem Schiff Es gibt schon ein paar kuriose Typen auf dem Schiff: Einen nennen wir „den Hobbit“, fällt sehr klein aus, trägt dafür Riesenmützen, ist riesig laut und tanzt jeden Abend wie ein Tanzbär auf Deck 10. Viele Australier*innen, alle sehr nett, viele ziemlich füllig. Sie trinken abends gerne einen Famous grouse mit uns (auch Deck 10). Asiat*innen mit sehr kurzen Sportshorts (immer, egal, welches Wetter..), stark aufgebrezelte Amerikaner*innen … Gerade an denen haben sich meine Vorurteile richtig heißgelaufen: Sie waren ausnahmslos besonders nett, aufgeschlossen, interessiert an Europa. Nicht immer huntertprozentig informiert- genau wie wir… Eine fragte mich sehr nett und anteilnehmend beim Essen: Wenn wir nun nach Hause kämen, dann wär da ja Winter? (genaue Nachfrage zu Schnee, Eis und Temperatur, Interesse an der Differenzierung Nord-Süddeutschland). Dann die besorgte Nachfrage, ob man denn gar nicht heizen könnte, weil es in Europa doch grad gar kein Gas gebe… Ach ja: das Buffet quoll über vor Sommer: Melonen (3 Sorten), Ananas, Himbeeren, Brombeeren, Erdbeeren, Heidelbeeren und manchmal dicke Schwarzkirschen. Schlemmerland für mich. Timaru Das Wetter bleibt entgegen der Vorhersage schön und Timaru begrüßt uns leicht besonnt und mit einem kleinen Markt mit heimischen Produkten. In Timaru haben wir eine Regenjacke gekauft (wie immer wieder empfohlen: bei Kathmandu!). Zuerst dachten wir, es seien erstaunlich viele Leute auf dem Schiff schon mal in Kathmandu gewesen und hätten T-Shirts, Jacken, Sweatshirts….mitgebracht. Weit gefehlt: Das ist eine sehr beliebte neuseeländische Outdoor-Marke. Zu unserem Amüsement hatten sie in dem Kathmandu-Laden in Timaru „the boxing days“, die Herleitung vom 26.12., also dem Geschenkschachteltag (box), war uns ferne, aber die Auswirkung (bis zu 50 % Rabatt) recht angenehm. Seitdem wir diese erboxte Kathamandu-Regenjacke hatten, hat es in Neuseeland nicht mehr geregnet (allerdings gab es allerlei Unbill, nachdem wir weg waren, besonders in Auckland. Könnte es vielleicht bedeuten, dass wir die magische Jacke besser dort gelassen hätten?) Die Jacke ist nämlich magisch, wie die australischen Damen es vorausgesagt haben (no more rain, if you buy a new raincoat). Mal sehen, was wir mit der noch alles erleben werden…die alte Regenjacke jedenfalls führt ein einsames Leben im Hotel Batman’s Hill in Melbourne. Am Anfang und Ende des Hafenaufenthaltes immer dasselbe Ritual: die Hafenschlepper kommen, dann das Pilot-Boot, der Pilot geht an Bord und das Ganze rückwärts. Die Skipper auf den Bugsiers machten sich oft den Spaß, zum Schluss eine Runde um die eigene Achse zu drehen und zu winken. Waipara Hill – Weinproben In Waipara Hill wurde uns neben der Rebsorte Riesling in allen Schattierungen auch die Sorte Wüaztrem angeboten (was wir erst verstanden, als die Flaschen im Regal auftauchten) : Unsere Recherche zum Waipara-Hills-Weinbaugebiet ergab: Sehr schöne Hills, tolle Wolken, Hecken von blühendem Agapanthus, Gläser von Spiegelau!…und die Weißweine waren uns alle zu säurebetont, die Rotweine für Liebhaber schwerer französischer Rotweine zu „dünn“. Sicherlich gäbe es da in anderen Weinbaugebieten Neuseelands auch andere Befunde, aber einstweilen haben wir auf dem Schiff heimlich australischen Rotwein (Syrah, genannt Schiraaas) und Weißwein (Sauvignon blanc, genannt Schowinnon) mit Genuss getrunken. Aber: Die Weingüter sind schön gelegen, sehr gepflegt, alle Winzer sehr gastfreundlich und das Sortiment sogar humorvoll: Port of Littleton Wellington In Wellington blühten Metrosideros excelsa – auf maori Pohutukawa (neuseeländischer Weihnachtsbaum, auch Eisenholzbaum) und, wie fast überall in Neuseeland, Agapanthus. Der Hauptstadt Wellington sieht man nur hier und da noch die Folgen der schweren Erdbeben, die die Region immer wieder erschüttern, an. Insgesamt wirkt die Stadt grün und entspannt, die sogenannte Waterfront ist sehr schön hergerichtet. Hinter einem mit einer großen Kindermalerei dekorierten Bauwand sieht man einen zerstörten Spielplatz – ein Beispiel dafür, dass überall versucht wird, die Bevölkerung (hier die Kinder) zu beteiligen. („What do you love about Wellington’s waterfront?) Die Innenstadt wirkt mit Kunst, Museen und lustigen Geschäften (überall in Neuseeland sieht man z.B. Birkenstock-Läden) abwechsungsreich und freundlich, nirgendwo hektisch. Nicht alle Kunst erschloss sich uns spontan, einiges war ein bisschen ironisch, einiges architektonisch pfiffig. Die blaue Säule habe ich spontan „Goldschiss“ getauft. Am Abend findet in der Oper (die im Gegensatz zur übrigen gebäudlichen Struktur eine Renovierung vertragen würde) ein tolles Konzert mit dem Wellington Sinfonieorchester und Maori-Chören statt. Hier der Kapitän bei der Ansage (letztes Bild der Galerie). Nelson Im Hafen von Nelson bietet sich uns ein ähnliches Bild wie in fast allen anderen: Holz, Holz, Holz und – Hamburg Süd ist auch schon da. Nelson ist ein beschaulicher, sehr grüner, sehr blühender Ort. Wir finden Sequoiadendron giganteum wellingtonia von 1890, fein säuberlich durch ein Schildchen ausgewiesen. Riesenmammutbaum ist die einzige Art der Pflanzengattung Sequoiadendron (ich liebe das Wort!) und ziemlich beeindruckend. Noch schöner finde ich allerdings überbordend blühende Bougainvillea an Hauseingängen, riesige Mimosen mit rosa Puschelblüten, Oleander und blühende Jacaranda. Nelson ist der zweite Ort in Neuseeland, der sich 1858 Stadt nennen durfte, nicht wegen der Größe oder Einwohnerzahl (zu der Zeit etwa 5000), sondern weil sie eine Kathedrale gebaut haben. Eine erstaunliche Pionierleistung bei so wenigen Einwohnern. Dieselbe liegt auf einer Anhöhe und ist heute von einem Garten umgeben, der so manchem Botanischen Garten Konkurrenz machen könnte. Der Blick auf die Stadt durch Strelizien hindurch: einfach schön! In der Kathedrale gab es gerade einen Weihnachtsbaumwettbewerb, der uns sehr amüsiert hat. Im Ort immer wieder frappierend die Weihnachtsdeko inmitten verschwenderischer Blütenpracht. Das passt nur schwer zu unseren Weihnachtsvorstellungen. Und: Auf einem Platz mit Bänken steht ein „Klavier für alle“. Tolle Idee! Allerdings hatten wir es dann mit einem Nutzer zu tun, der einen sehr eigenartigen Ausbruch seiner musikalischen Schaffenskraft hatte: so schräg, dass alle so langsam den Platz verließen. Tja, Kreativität kommt nicht immer gleich gut an! Picton – Marlborough Sounds Ward Die Bucht vor Picton wirkt wie ein norwegischer Fjord oder ein Nebenarm des Genfer Sees. Alles sehr grün, netterweise angenehm sonnig und entspannt. Die Fähren zwischen der Nord- und der Südinsel verkehren dort und liegen parallel zu unserem Schiff. Freizeitboote, Fischerboote, Palmen, ein kleiner Strand und ein kleines Museum (Edwin Fox) machen das fast südländische Flair des kleinen Ortes aus. Und: Das Wasser wechselt ständig die Farbe! Napier Herrliches Wetter! Der Strand ist bis ans Meer mit gelb blühenden Gazanien besetzt, alle wie kleine Sonnen sich dem Licht entgegenstreckend. Dass es sowas gibt! Die gesamte Strandpromenade ist sehr gepflegt mit Skateranlage, Picknickplätzen, Spielplätzen, überdachten Sitzplätzen… Im Hafen das übliche Bild: Hamburg Süd ist schon da und ganz viel Holz… Am Ende wieder das Bugsier-Ritual: Tatsächlich einmal in die Runde! An der Seaside-Promenade findet sich das National New Zealand-Aquarium. Wir kommen gerade zur Fütterung der großen Fische durch Taucher zurecht. Man wird auf einer Art Laufband vorbeigeführt, so kann jede*r mal sehen. Es gibt viele interessierte Kinder, die auch besonders angesprochen werden. Wir sehen große Haie und Rochen, die die Taucher fressgierig umarmen. Tauranga und mein Lieblingsberg: Mount Maunaganui „The Mount“ Tauranga ist eine einigermaßen langweilige Stadt mit einem riesigen Hafen (Holz!Holz!Holz! und Unmengen von Containern). Hamburg Süd war auch schon wieder da. Wir fanden ein Hotel namens „Wanderlust“, die holztransportierende Bahn mitten durch den Ort, viele vietnamesische und chinesische Restaurants und quiekend ins Wasser springende Teenager. Aber: die Umgebung ist spektakulär schön. Allein die wechselnden Farben der Pilot- Bay-Seite! Auf einer Bank trafen wir einen älteren Herrn (vielleicht jünger als wir?) im Schatten sitzend (von dort in sicherer Entfernung seine Enkelkinder beaufsichtigend). Er riet uns, den Mount Maunganui zu umrunden, das wären sehr schöne Ausblick aufs Meer. Und das würde ja sogar er schaffen! Na denn! Auckland In Auckland (von der Stadt haben wir nur den Hafen und bei einer Taxifahrt zum Flughafen viel Grün gesehen) war dann Schluss der Reise – und zurück über Singapur. Wenige Tage später gingen dann in Auckland sintflutariger Regen nieder. Heavy rain hatten wir schon in Sidney und Dunedin, diesmal haben wir grad Glück gehabt! Diesem schönen Land und seinen sympathischen Menschen wünschen wir alles Gute, besonders natürlich Christy und Robert. (http://www.momos-memos.de/?p=4113) Kleiner und bitterer Nachsatz: Als wir mit dem Zug von Düsseldorf-Flughafen mit der Bahn durch die Republik fuhren, hatte ich einen Kulturschock. Dass wir in Deutschland mitten in einer Müllhalde leben, ist mir in der Schärfe noch nie aufgefallen. Nach Neuseeland und Singapur fragt man sich: Was machen wir denn  da? Geht das auch anders?