C. (man kann’s ja nicht mehr hören)

Woran wir alle zu knabbern haben… Corona und anderes…. Eigentlich dachten wir nun, die Pandemie geht so langsam vorüber. Aber gepfiffen, sie ziiieht sich hin….und alle Versprechungen der Linderung können uns nicht mehr so recht begeistern: Na ja, und schließlich kam es am 24. Februar 2022 noch schlimmer… Bei einem Spaziergang an der Zitadelle Spandau fand ich eine Wegbezeichung, die mir noch nie aufgefallen ist und die ich fast ein bisschen tröstlich finde: Auch in den Wirren des Krieges gab (und gibt?) es vernünftig handelnde Menschen… Der Text: Wladimier Samoilowitsch Gall (20. Januar 1919 – 9. September 2011) Am 1. Mai 1945 wurde die Zitadelle Spandau nach zähen Verhandlungen an die Rote Armee übergeben. Dass dies ohne weitere Kampfhandlungen und Verluste geschehen konnte, ist den Bemühungen der russichen Seite zu verdanken, die mit Major Wassili Grissin als kommandierendem Offizier und Hauptmann Wladimir S. Gall als Übersetzer zwei Parlamentäre in die Zitadelle zum dort verschanzten Volkssturm schickte. Durch ihren beharrlichen Mut blieben Zivilist*innen und Gebäude unversehrt. Der in den folgenden Jahren als Kulturoffizier und Dozent tätige Wladmir Gall bemühte sich auch im Kalten Krieg stets um kulturellen Austausch über die Grenzen hinweg. Trotz erfolgter Einladung gelang es ihm aber erst 1985 Spandau wiederzusehen. Er erklärte das so: „Ich war, wie es im sowjetischen Volksmund hieß, invalid am Punkt 5. Der fünfte Punkt auf dem Ausreise-Antragsbogen fragte nach der Nationalität. Und da steht bei mir: Jude…“ Wladimir Gall blieb Spandau auch in den letzten Jahren ein Freund, der für Völkerverständigung und Humanismuus eintrat. 2005 wurde er mit einem Eintrag ins „Goldene Buch“ Spandaus geehrt.       24. Februar 2021 Die Post und der Lift Also gut…kein Wort über C. Sie sind das Leid, ich bin das Leid…aber manchmal gibt’s auch komische Sachen. Heute Morgen klingelt die Post, also eine von diesen Nachfolgeorganisationen unserer guten alten staatlichen Post, wo man … also es klingelt natürlich ein Mensch, der einen Auftrag zum Klingeln bei mir hat, weil ich wegen C. etwas bestellen musste, was ich wirklich brauche, aber normalerweise nie … niemals! bestellt, sondern geholt hätte. Da wir ganz oben wohnen und kontaktlose Übergabe in diesen Zeiten (hab nix mit C. geschrieben!) sinnvoll ist, haben wir die Liftmethode erfunden: Es klingelt ein Bediensteter (24.2., wenn sie nicht verstehen, warum hier männlich gegendert wird: zum 15. Januar herunterscrollen) besagter Zustellorganisationen. Er ruft Paket oder im Zweifelsfall die Post oder eine Päckchen oder große Paket! Unsere anfänglichen Versuche mit einem höflich verklausulierten: Würden Sie das dann bitte in den Lift legen? Ich nehme es oben heraus enden mit Schweigen am anderen Ende, dann einem gepressten Jo und das Paket liegt dann sonstwo, im Schnee vor der Haustür, vor der Tür der Nachbarin…wurde wieder mitgenommen… Meine Blitzidee: Es muss an dem unbekannten Wort Lift liegen. Ist ja auch komisch, lift-up, liften als Gesichtsstraffung. Der nächste Versuch dann also: Können sie das Paket bitte in den Fahrstuhl legen? Was ich nicht gesehen habe, unsere wohlbekannte Zustellerin steht unten und sagt etwas pikiert: Ja klar, wie immer, ich drück auf den obersten Knopf. Und: schönen Tag noch! Ich freu mich: Ihnen auch und danke für den Service! Der nächste ist ein indisch aussehender Zusteller, der trotz bitte in den Fahrstuhl oder ist es schwer, dann komm ich runter mit Jo antwortet und eine schwere Weinkiste, die unten bleiben soll, schon eine Treppe hochgeschleppt hat, bis ich ihn von weiteren Taten abhalten kann. Der Mann tut mir Leid, ich gebe ihm etwas Geld und erkläre: wenn Paket schwer, unten lassen und ärgere mich über meine blöde Erklärungssprache. Erinnert mich an diese platte gönnerhafte Gastarbeiteransprache (was für ein Wort!) der 60er Jahre. (Ach ja: Wenn sie dazu etwas wirklich Authentisches lesen wollen: Mely Kiyak, Frausein, München (Hanser), 2020, 18 €) Grammatikalisch einfach, brummle ich beim Weinverstauen vor mich hin, muss nicht wie Idiotensprache klingen und bin mir selbst etwas böse. Heutiger Versuch nun: Eine Paket! –  Ja danke, ist das schwer? –  Schweigen. – Großes Paket? –  Schweigen.- Legen Sie’s in den Fahrstuhl? (langsam und deutlich sprechen!) – welche Stuhl? Also doch besser wieder Lift?   Corona-Crackers 10 (15.7.20) Von Unter- und Übernasenmaskenträgern (Heute wird Ihnen die entsprechende Abbildung erspart und durch ein niedliches Schnuppernasenbild ersetzt. Sie werden das blöde Bild, das beim Lesen in Ihrem Kopf entsteht,  sowieso nicht vergessen) Berlin ist ja nun echt nicht das Emsland. Allet jut, sagt der Berliner und trägt (jedenfalls viele) die Maske unter der Nase. Das habe ich im Emsland schon auch gesehen, aber nicht in der Menge. Wenn dir in der U-Bahn so ein Unternasenmaskenträger auch noch ordentlich auf die Pelle rückt, dann gibt’s Unwohlgefühle. Und auch den Gedanken: Vielleicht ist das ja auch alles gar nicht so schlimm, aber allet jut, kann ich da nicht empfinden. So übertrieben wie die Fahrradfahrerin, die dieser Tage fast in den Kanal gefahren wäre, weil sie mit 4 Meter Abstand an uns vorbeifahren wollte, das ja nun nicht, aber allet jut? Und dann muss ich immer an diese saublöde Erklärungszeichnung denken, die den Schniepi über der Unterhose zeigt und treuherzig versichert: Wenn du deine Maske unter der Nase trägst, dann wäre das ja so, als würdest du deine Unterhose so tragen…Ich weiß nun nicht, was ich schlimmer finden soll: Die Bedrohung durch die Nase über der Maske (Jaja ich weiß, Mundnasenbedeckung…) oder die blöde Vorstellung, die sich in meinem Kopf jedes Mal breitmacht, wenn ich so einen Unternasenmaskenträger sehe. Übrigens ist mir aufgefallen, dass es viel weniger Unternasenmaskenträgerinnen gibt als Unternasenmaskenträger, weswegen ich mir dieses affige *chen diesmal gespart habe. Von beiden Sorten gibt es zudem im Emsland erheblich weniger. Gepriesen sei das lauschige Emsland! Corona-Cracker 9 (17.6.20) Die Ja-Aber-Krankheit oder das St. Florians-Prinzip Ich kenne sie zur Genüge aus der Schule: Hast du das da hingeworfen/abgebrochen/verschmiert …? Empört: Nein! Ich: Ich habe gesehen, wie du…. Ja, aber … Die Ja-Aberitis befällt Menschen, die die Wirklichkeit nicht so haben möchten wie sie sich gerade darstellt, sondern die eine andere Welt erschaffen, in der Schulkinder unbedingt psychosozial schwer dran sind und darum nicht zum Mülleiner laufen können, in der immer gerade der andere viel mehr hingeschmissen hat und … Am liebsten sind mir dann noch die, die womöglich laut kreischend Ungerechtigkeit! für sich reklamieren. Jetzt hast du bei momo ganz schlechte Karten hat ein Danebenstehender dazu mal gemurmelt. Die Ja-Aber-Erkrankten sind um Moment wieder fix unterwegs mit: Eine Erkrankung ist nicht so schlimm, weil ja nur andere sie kriegen, zum Beispiel Vorerkrankte, Alte …Das macht mich genauso zornig wie … s.o. Ihr seid krank mit eurer Argumentation! Kennen Sie das Sankt-Florians-Prinzip?: Heiliger Sankt Florian, verschon meine Haus, zünd andere an! Ich nenne das auch wohl galoppierende Verantwortungslosigkeit. Zeit, dass euch mal eine*r erklärt, dass wir alle zusammen Verantwortung tragen für oder gegen die Ausbreitung des Virus‘, solange wir noch nicht sicher wissen (können), wie wir es wieder loswerden oder unschädlich machen können! Corona-Cracker 8 (16.6.20) Corona-Zwischenbilanz Einige ziehen ja jetzt Bilanz. Schulen, die sagen wir haben einen digitalen Sprung nach vorne getan und behalten Elemente davon bei, Menschen, die sagen ich bin endlich mal dazu gekommen, den Garten ordentlich zu machen oder in Ruhe mal…Manches hört sich da ganz positiv an, aber diejenigen, die auf unser wildes Einkaufsverhalten angewiesen sind, haben im Moment wohl ordentlich das Nachsehen. Sollten wir gerade von einer verschwendungssüchtigen Konsumbande zu zurückhaltenden nachdenklichen Einkäufern werden? Ein Teil hat sich als Online-Käufer (eben nicht) auf den Weg gemacht. Das sind diejenigen, die dann sehr laut jammern, unsere Innenstädte würden ja so öde. Ein Teil hat Einkommenseinbußen und das Geld sitzt dann vernünftiger Weise nicht so locker. Es gibt noch eine dritte Gruppe von Kaufabstinenten: Diejenigen, die entdeckt haben, dass man vieles gar nicht so dringend braucht… Gibt es jetzt zu hoffen, dass es bei der zukünftigen Entwicklung genügend Frust-Kompensations-Käufe gibt! Corona-Cracker 7 (26.5.20): Fleischtheke mit Beziehungskiste – coronamäßig Manche Paare gehen nie zusammen einkaufen und man kann das auch für eine weise Entscheidung halten – wenn auch nicht immer bewusst. Heute an der Fleischtheke vor mir ein älteres Paar (etwa so alt wie wir, ergänze ich gedanklich dann immer masochistisch), das sich offenbar zu einem sozialen Experiment entschlossen hatte, dessen Ausgang ich für zumindest zweifelhaft halten würde. Da ja in etwas älteren Beziehungen der Subtext mindestens so wichtig ist wie der gesprochene Text, schreibe ich den hier mal in Klammern dazu (man konnte ihn deutlich hören). Der Gatte steht so nahe beim umkämpften Nummernautomaten (wieso eigentlich Automat, wenn man die Kärtchen fast mit den Zähnen abbeißen muss, um an ein einzelnes zu kommen?) und wird durch seine Gattin hingewiesen: Du stehst zu nah (Männer!). Er: Wieso? Und woran zu nah? Sie: Am Nummernautomaten! (den nehm ich nicht wieder mit!) Derweil versucht eine Dame sich schlangenähnlich um ihn herumzuwinden, dabei auf einen gewissen Abstand zu achten und den begehrten Zettel zu erwischen, der will aber nicht abreißen. Jetzt komm hierher, sagt die Gattin schon sehr nachdrücklich. (den nehm ich nie wieder mit!) Das wirkt, scheint ein alt-ultimativer Ton zwischen den Beiden zu sein. In der Schlange langweilt er sich natürlich sofort und will die Einkaufsliste sehen. Sie holt eine Art Schreibheft heraus, eine Seite, eng beschrieben, hält sie ihm hin und sagt: Das findest du doch gar nicht (ich will auch gar nicht, dass der überhaupt irgendwas findet, ist sowieso das Verkehrte und dann muss ich auch noch diskutieren). Missmutig trottet er los, holt etwas, womit sie ihn sofort zurückschickt. Als sie dran ist, fragt sie ihn nach seiner Meinung zu einem Fleischstück. Er hat offenbar keine Ahnung von der Materie, nimmt aber inzwischen doch die etwas gereizte Stimmung wahr und will schnell etwas sagen: Ist doch egal. Böser Blick (aber dann beim Essen meckern!) Zweiter Versuch: Das größere! Noch böserer Blick (als wenn es bei mir schon irgendwann mal nicht satt gegeben hätte!) … Später treffe ich die Beiden beim Shampooregal. Die Stimmung ist nicht besser. Man hört sie schon ein Warengestell weiter. Dann nimm doch, was du willst, sagt sie mit scharfem Unterton. (jetzt will der auf einmal Ahnung von Shampoo haben, lässt es sich aber die letzten 30 Jahre ins Bad legen). Ich habe das soziale Experiment nicht zu Ende verfolgt. Spätestens an der Kasse hätte ich lachen oder weinen müssen. Ich will ja nur hilfreich sein, höre ich noch vom Gatten (mein Gott, jetzt gehe ich schon mal mit, aber ich spüre keine Dankbarkeit für meine Heldentat!). Warum tun Menschen sich das an? Coronafolgen? Corona-Cracker 6 (23.5.20): Man soll ja immer das Positive sehen oder: Corona-Stille in der Lingener Innenstadt Ist jetzt immer so schön still hier, rufe ich dieser Tage vom Balkon (ziemlich laut wegen des Abstandes). Die neue Nachbarin erstaunt: Ist das hier sonst nicht so? Ach, Sie sind ja im Winter eingezogen, fällt mir da ein. Seit ein paar Tagen ist das mit der Stille allerdings so eine Sache. Der Skaterplatz an der Ecke ist zu neuem Leben erwacht. Es ist einer von diesen wunderbar sonnigen Balkon-Tagen in der Innerstadt Lingens. Bis ich das trockene Pengg-Klakk der Skateranlage höre und dann eine von diesen Musiksorten, die nicht in mein Lieblingsrepertoire gehören. Das geht dann den ganzen Tag so (und oft auch nachts), weiß ich. Mir hat das ja so nicht direkt gefehlt, aber den jungen Leuten offenbar schon – und so sei’s ihnen gegönnt. Wissen Sie, erzähle ich der neuen Nachbarin (immer noch zu laut). Sonst haben wir im Sommer hier ja immer die Klopfer auf dem Kanal. Tiere? fragt sie erstaunt. Nein, Drachenboote, die klopfen, also genauer: ein Mensch darin klopft und zählt dann immer bis 12. Wieso 12? fragt sie noch erstaunter. Daran kann man sehen, dass die neuen Nachbarn keinerlei Innenstadterfahrung haben. Es gibt einmal im Jahr einen Drachenboot-Wettbewerb. Da ist dann allerdings die Musik (auch nicht meine Lieblingsmusik) lauter als das Klopfen, erkläre ich. So ein Tag im Jahr, das macht doch nichts, sagt sie arglos und daran kann ich erkennen, dass sie wirklich nie in der Lingener Innenstadt gewohnt hat. Das stimmt, sage ich, und um ihr die Freude an diesem stillen Sommer so richtig plastisch zu machen: Immer, wenn es schön und warm genug ist, um auf dem Balkon zu sitzen, kommen die Klopfer zum Trainieren: eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht, neun, zehn, elf, zwölf, eins, zwei….. Lassen Sie mal, ich fange gerade an die Stille zu genießen, lacht sie. Corona-Cracker 5 (19.5.20): Die Hauptlast tragen ja die Frauen… Die Hauptlast tragen ja die Frauen, liest man jetzt mal in den Zeitungen. Manchmal untermauert mit Fakten (Homeoffice mit eingebauter Kinderbetreuung…), manchmal unangenehm lapidar als Weltgesetz festgestellt, in jedem Falle folgenlos. Oder sollen wir gerade mal von den Balkonen winken?! Singen? Bettlaken bemalen? Das soll ja den Betroffenen sowas von helfen! Nicht dass Sie mich für zynisch halten: Gesellschaftliche Anerkennung tut denjenigen, die uns durch diese Krise tragen, gut. Aber: Das ist natürlich nicht genug. Gestern sagte ich launig zu einer alleinerziehenden Mutter: Ich bin für die Wiedereinführung des Mutterkreuzes. Und ich sowas von, antwortete sie ebenso launig. Ich denke, sie hat verstanden, was ich eigentlich sagen wollte und ich hätte dann bitteschön sofort gerne meine saudoofe Bemerkung zurück!! Gerade nicht: Gesellschaftlich folgenlose (Schein-) Anerkennung, sondern die Selbstverständlichkeit der Berufstätigkeit von Frauen und die Regelung dessen, was die Betreuung von Kindern nötig macht. Und nicht wieder in den Verantwortungsbereich von Frauen zurückgeben, sondern alle damit befassen. Das funktioniert im Moment – kaum zu glauben, dass das möglich ist- noch schlechter als sonst! Corona-Cracker 4 (16.5.20): Eigentlich London, jetzt aber Friedhof oder:  Die Alten Diese Woche wären meine Tochter und ich in London, heute auf dem Rückweg über Brüssel. Mit pompösem Gong erinnert mich die Bahn-App an meinen Zug, den ich in Bruxelles-Central nicht versäumen soll. Bisschen komisch kommt mir dieses Gebimmel schon vor, denn ich bin grad auf dem Friedhof, und zwar in Lingen. Von zwei Straßen weiter höre ich lautstarkes Reden darüber, dass die Alten ja selber Schuld seien, sie gingen einfach nicht weit genug zur Seite. Überall kämen einem die Alten viel zu nahe, dabei müsse man für die Alten ja schon zu Hause bleiben und allerlei Unbequemlichkeiten in Kauf nehmen. Diese Dame weiß offenbar nichts von Schallausbreitung und noch weniger von der durchdringenden Qualität ihrer Quäkstimme. Wohl auch nichts von differenzierten Urteilen oder sie holt sich einfach eine Portion Zustimmung ab, wo sie vermutet, diese wohlfeil bekommen zu können. Bei solchen Gesprächs-Monologen geht es nicht um den Inhalt, das könnte auch ein Referat über den Nussgehalt verschiedener Nougatcremes sein oder die Empörung darüber, dass es nachts gefroren hat und sich das nicht gehört im Mai. Ich höre außer zustimmendem Gebrumm nur ihre Stimme, die sich in immer höhere Höhen schraubt vor Empörung über die Alten. Dass es in solchen Situationen nicht lohnt, in eine Argumentation einzusteigen, ist leidlich bekannt. Ich gehe in der Nähe vorbei, grüße sehr freundlich und denke verblüfft: Sieht die nicht eigentlich älter aus als ich? Und eigentlich bin ich ja auch grad in Bruxelles-Central… Corona-Cracker 3 (14.5.20): Das Schnauzen-Schürzchen Vergiss nicht dein Schnauzen-Schürzchen, sagt mein Gatte zu mir beim Aussteigen aus dem Auto. Keine Frage, ich war ja schon einkaufen. Ich nenne diese Aufenthalte im Supermarkt für mich jetzt Augenausflüge. Was mir früher nie aufgefallen ist: Bei manchen Menschen kann man an den Augen sehen, ob sie lächeln, manche sehen allerdings immer gleich böse aus mit Schnauzen-Schürzchen (ohne vielleicht auch?). Ich rede jetzt nicht von Lachen, da sieht man ja immer die Hautkräuselung, die sich bis um die Augen zieht. Mimik-Falten hat mir die Kosmetik-Industrie beigebracht und wollte mir mein Leben lang für die Dinger um die Augen Extra-Cremes in besonders kleinen Töpfchen mit besonders hohem Preis verkaufen. Muss ich jetzt bitter dafür büßen und das Schnauzen-Schürzchen bringt es brutal an den Tag? Weiß ich nicht, ich schau mir nur die anderen Augen an. Forever young? Son Quatsch. Das Bemühen um oder gegen kleine Augenfalten war mir immer schon fremd und kommt mir grad so gaaanz weit weg vor… Corona-Cracker 2 (12.5.20): Mein Corona-Cracker von heute wird ein bisschen traurig: Wir hatten ja das Glück, viel reisen zu können (und zu wollen) mit Beginn unseres Berufsverbots aus Altersgründen (Pensionierung genannt). Wir haben auf diesen Reisen viele wunderbare Menschen getroffen, die vom Reisen und den Touristen leben (müssen). Ich möchte heute an Boulé und den Picasso Javas (so wird er etwas scherzhaft genannt) denken. Bestimmt geht es Beiden nicht nur nicht gut, sondern sie sind in ihrer Existenz bedroht. Das Bild ist im Atelier des Batikkünstlers in Java gemacht, rechts ist Boulé, unser Reiseführer, links eine Helferin. Die Frauen (!) saßen dort auf dem Boden und führten mit diesen winzigen Wachskännchen diese x-fachen Färbungen unter Abdeckung anderer Flächen durch. Sie wirkten sehr fröhlich und sehr freundlich! Mit Boulé hatte ich morgens beim Frühstück (wir waren alleine) ein etwas intensiveres Gespräch führen können. Er wollte mir zunächst mein Lebensalter nicht glauben, es stand definitiv der Verdacht im Raum, ich hätte in meinem Leben wohl nicht viel gearbeitet. Er sagte: Die Menschen hier sehen viel älter aus als du, momo. Ich fühlte mich ein bisschen beklommen und fragte ihn nach seinem Leben. Er erzählte lange und interessant und sagte dann, er hoffe auf einen frühen Tod. Nicht irgendwie emotional, sondern sachlich. Er habe durch seine Tätigkeit und wegen der letzten Rezession keine Rücklagen für sein Alter bilden können und wolle seinen Kindern keinesfalls zur Last fallen. Ich dachte an meine Pension und unsere Reisepläne für das nächste Jahr und war sehr beschämt. Das merkte er und sagte: Ihr helft doch schon, indem ihr herkommt. Und als ich mit den Schultern zuckte: Ihr könnt auch dem Künstler, genannt der Picasso Javas, helfen, indem ihr etwas kauft. So ist diese große Batik in unseren Haushalt gekommen. Wenn ich draufschaue, denke ich an Java und Boulé und all die anderen, die im Moment und wohl auch lange nicht mehr vom Tourismus leben können. So hat vieles eben mehrere Seiten. Weiter, schöner, mehr, das ist ja zu Recht die Lehre, die wir im Moment ziehen, sind auf Dauer keine alleinigen Lebens- und Wirtschaftsziele, aber.. Corona-Cracker 1 (11.5.20): Vor einem großen Drogeriemarkt fährt schneidig ein etwa Zwölfjähriger mit seinem BMX-Rad vor. Er landet ebenso schneidig neben der Friseurschlange (Achtung, neue Wörter!) Eine ältere Dame (die nach meiner Beobachtung dort berechtigt und mit Geduld steht) fragt ihn leutselig: Und freust du dich auch schon auf die Schule? – Falsche Frage, Mutti, denke ich automatisch. Der coole Radler darauf mit leuchtenden Weihnachtsaugen: Oh ja, sehr!