Tipp 8: Zülfü Livaneli, Serenade für Nadja

Eine große Portion Geschichtswissen, toll verpackt in eine darart spannende Geschichte, dass man ein ordentliches didaktisches Klappern im Hintergrund akzeptieren kann. Gut auch, dass nicht nur die Zeit von 1933 bis 45 beleuchtet, sondern auch die Türkei der Jetzt-Zeit durch eine klug konstruierte Story in den Blick genommen wird. Maya (in ihrer Kindheit als Biene Maya gehänselt), eine junge Universitätsangestellte, betreut Besucher und erfährt nach und nach vom Schicksal ihres Schützlings, einem 87jährigen Professor, der am Ufer des Schwarzen Meeres bis zu seinem Zusammenbruch Geige spielt.

Tipp 7: Swetlana Alexijewitsch, Der Krieg hat kein weibliches Gesicht

Nicht lesen bei trübem Wetter! Wenn man sich auf die einzelnen Aussagen, ich bin zum Teil geneigt zu sagen: Geständnisse, wirklich einlässt, braucht es eine Portion Unerschrockenheit. Die geschilderten Dramen machen alle deutlich, wie perfekt die sogenannte Vaterlands-Mutterlandsliebe in den jungen Frauen funktioniert hat, in die Tiefe ihrer Persönlichkeitsstruktur eingesenkt war. Sicherlich gab es im 2. Weltkrieg ähnliche Erscheinungen auf zum Beispiel deutscher Seite, aber die Durchgängigkeit der Opferbereitschaft für die russsische Erde ist hier schon besonderes bedrückend. Ich musste immer wieder pausieren und konnte diese Funktionalisierung von Emotionen zum Töten nur schwer ertragen.

Tipp 5: Swetlana Alexijewitsch, Secondhand-Zeit – Leben auf den Trümmern des Sozialismus

Als die weißrussische Autorin im Oktober 2015 den Nobelpreis für Litertur erhielt, zeigten einige Kritiker sich skeptisch angesichts der Tatsache, dass eine Journalistin ausgezeichnet wurde. Wenn man Secondhand-Zeit liest, verdichtet sich mehr und mehr das Gefühl, dass ihr Verfahren – Komposition von Interviews um ein Thema herum – dem Sujet absolut angemessen, wenn nicht der einzig mögliche Weg ist, den Zustand der nachsowjetischen Republiken und Menschen darzustellen.

Tipp 4: Westermann, Ingenieure der Seele (Reportage und Literaturgeschichte)

Wenn man gleichzeitig viel zu Bewässerungssystemen (Zum Aralsee: siehe Ver-Reisen: Uzbekistan), Stalin und den Schriftstellern der Stalin-Zeit verstehen will, ist das ein atemberaubend interessanter Bericht. Westermann, ursprünglich Wasserbauexperte, dann Moskaukorrespondent einer niederländischen Zeitung, hat meiner Meinung da eine literarische Reportage von Weltrang geschrieben.