Tipp 7: Swetlana Alexijewitsch, Der Krieg hat kein weibliches Gesicht

Nicht lesen bei trübem Wetter! Wenn man sich auf die einzelnen Aussagen, ich bin zum Teil geneigt zu sagen: Geständnisse, wirklich einlässt, braucht es eine Portion Unerschrockenheit. Die geschilderten Dramen machen alle deutlich, wie perfekt die sogenannte Vaterlands-Mutterlandsliebe in den jungen Frauen funktioniert hat, in die Tiefe ihrer Persönlichkeitsstruktur eingesenkt war. Sicherlich gab es im 2. Weltkrieg ähnliche Erscheinungen auf zum Beispiel deutscher Seite, aber die Durchgängigkeit der Opferbereitschaft für die russsische Erde ist hier schon besonderes bedrückend. Ich musste immer wieder pausieren und konnte diese Funktionalisierung von Emotionen zum Töten nur schwer ertragen.


Die Autorin arbeitet wiederum mit einer Stimmenvielfalt von Sanitäterinnen, Scharfschützinnen, Partisanninnen (die auch bereit waren, ihre Kinder einzusetzten und zu gefährden), Pionierinnen…Die Annährerung an die einzelnen Frauen, die oft zu Beginn der Gespräche den Panzer des Heldentums im Großen Vaterländischen Krieg tragen, gelingt auf dem Wege der Empathie im Gespräch und unter diesem Blickwinkel gibt es dort kein Geständnis, das verurteilt werden könnte. Bleibt oft nur das namenlose Staunen und Grauen über die Aussagen dieser älteren Frauen in ganz normalen Berufen und Familienverhältnissen, die im Krieg getötet, gerettet, gehasst haben. Viele waren noch sehr jung, als sie, brennend für ihr Land, unbedingt an die Front wollten.
Wichtige Texte zum Verständnis des Krieges – zum Unverstand, der in Menschen gezüchtet wird, damit sie in diesem Wahnsinn dienlich sind. Hier sind es etwa 1 Million Frauen, die in der Roten Armee dienten. Und die später keine Anerkennung fanden, sondern häufig verachtet wurden.

Swetlana Alexijewitsch, Der Krieg hat kein weibliches Gesicht, München 2008, 2013