Tipp 8: Zülfü Livaneli, Serenade für Nadja

Eine große Portion Geschichtswissen, toll verpackt in eine darart spannende Geschichte, dass man ein ordentliches didaktisches Klappern im Hintergrund akzeptieren kann. Gut auch, dass nicht nur die Zeit von 1933 bis 45 beleuchtet, sondern auch die Türkei der Jetzt-Zeit durch eine klug konstruierte Story in den Blick genommen wird. Maya (in ihrer Kindheit als Biene Maya gehänselt), eine junge Universitätsangestellte, betreut Besucher und erfährt nach und nach vom Schicksal ihres Schützlings, einem 87jährigen Professor, der am Ufer des Schwarzen Meeres bis zu seinem Zusammenbruch Geige spielt.


Seine jüdische Frau ist dort 1942 beim Untergang des Frachtschiffes Struma ertrunken. Die Geschichte dieses Schiffes, das 762 jüdische Flüchtlinge nach Palästina bringen sollte, muss man unbedingt kennen (Juden auf der Flucht vor den Nazis, in Istanbul trotz Erschöpfung und technischer Schwierigkeiten nicht an Land gelassen, im Schwarzen Meer von einem russischen Torpedo versenkt). Livaneli, der in den 70er Jahren gezwungen war, die Türkei zu verlassen, greift gerne dort verdrängte Themen auf.
So finden sich im Roman Darstellungen zum Schicksal der Krim-Tataren und der Armenier. Auch die Geschichte der im 3. Reich in die Türkei geflohenen Wissenschaftler, die dort weiterhin der Bespitzelung durch Nazis ausgeliefert blieben, ist wenig bekannt und schon gar nicht aufgearbeitet worden.
Eine hochinteressante Geschichts- und Türkei-Lehrstunde, spannend zu lesen wie ein Krimi.

Zülfü Livaneli, Serenade für Nadja, Stuttgart 2013