Kiefern- und andere Inselgeschichten (für Bilder bitte anklicken)

Marion Poschmann, Die Kieferninseln – und andere Inselgeschichten

Wieso bloß bin ich über diesen Text (erschienen 2017) erst jetzt gefallen? Sollten Sie die Kieferninseln auch noch nicht gelesen haben: Diese Verschlafenheit wird mit einem Paperback-Preis von 11 € (Hardcover 20 €) honoriert.

Und: Eine hübsche kleine Insel-Geschichte lungert im Hintergrund. Diesen September: Wir sitzen an der Weißen Düne in Norderney und pulen uns angelegentlich den Sand aus den Zehenzwischenräumen (das Gekrümele finden wir beide furchtbar), als eine Frau mich mit der Frage überrascht, ob ich gerne lese. („Oh ja!“) Dabei wedelt sie mit dem neuesten Seethaler (Das Café ohne Namen. Ich würde in diesem Moment nicht gerne zugeben, dass ich an dem letzten Seethaler ein bisschen herumgemäkelt habe). Sie berichtet, dass sie das Buch soeben am Strand zu Ende gelesen und vor einiger Zeit beschlossen hat, Bücher nicht aufzubewahren, sondern direkt zu verschenken. Ist das nicht eine honorige Haltung!? Und wie gut, dass wir Sandpuler und somit zur richtigen Zeit am richtigen Fleck sind!

Ich tausche das Buch mit meiner Freundin, die gerade geklagt hat, dass sie nix mehr zum Lesen für den Zug hat, gegen die Kieferninseln.

So komme ich zu diesem Buch. Nächstes Jahr reisen wir – wie die Freunde- nach Japan und ich bin darum auf der Suche nach japanischer Mentalität und Kultur.

Und die gibt’s hier zuhauf und ein bisschen ironisch und ein bisschen um die Ecke und – wunderbar!

Zwei Desaster-Typen treffen auf dem Tokioter Bahnhof aufeinander. Der eine (Gilbert Silvester) hat seine Frau verlassen, weil er geträumt(!) hat, dass sie ihn betrügt, der andere (Yosa Tamagotchi) ist auf der Suche nach gediegenen Selbstmordmöglichkeiten, weil er gescheitert zu sein glaubt. (Er trägt die passende Selbstmord-Anleitungs-Literatur in seiner Tasche)

Gilbert als Drittmitteldozent für Barttracht – eine äußerst mediokre Person – , glaubt Yosa mit windigen Aktionen vom Selbstmord abbringen zu können. Ob er tatsächlich dem Haiku-Dichter Basho auf seinem Weg zu einem legendären Kiefernwäldchen folgt und dabei -so glaubt er – Yosa vom Freitod abhält, bleibt unklar, denn letzterer verschwindet irgendwie irgendwo und der Leserin schwindet der Eindruck, dass beide Figuren besonders real sind.

Dabei freut sie sich immer wieder über wunderschöne poetische Landschaftsbeschreibungen, haarscharf auf der Kippe zwischen Skurrilität und ernster Beschreibung balancierende Bilder von zum Beispiel mit gelben Rückholbändern dekorierten Selbstmordwäldern. Das ist auf ganz verhaltene Art und Weise witzig und trifft die Kulturunterschiede haarscharf: Auf der einen Seite der banal-europäische Lebensflüchtling, der sich der großen Dichtung nähert (das Bemühen um tiefschürfende Haikus ist köstlich!) und auf der anderen Seite der junge Japaner mit dem Plan, sein Scheitern nicht auch noch im Tod wiederholen zu wollen – Volltreffer für meinen Geschmack.

Ich werde mehr über Japan und andere Ecken der Welt erfahren, indem ich mehr Poschmann lese (Zwischendrin gelesen: Die Sonnenposition (2013) spielt im psychiatrischen Milieu, wobei nicht klar wird, wer genau welches Problem hat. Schöne Beschreibungen!)

Mit den Erinnyen melde ich mich dann wieder. Bin schon gespannt, denn die Besprechungen sind so gar nicht hymnisch wie bei den Kieferninseln.